© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

Atomares Vabanque-Spiel
von Peter Lattas

Neue Amtszeit, neuer Feldzug: Dieses Signal geht vor der Vereidigung des wiedergewählten US-Präsidenten George W. Bush in die Welt. Das halbherzige Dementi spricht dafür, daß die spektakulären New Yorker-Informationen über Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Iran eine gezielte Indiskretion waren, um so dem Mullah-Regime durch massive Einschüchterung die nukleare Aufrüstung zu verleiden. Ein gefährliches Spiel. Auch eine Supermacht kann sich in einen Krieg regelrecht hineinreden - siehe Irak. Die Fehleinschätzungen des Pentagon haben das mächtigste Land der Welt schon beim Feldzug gegen den Wüstenstaat an den Rand des Desasters geführt.

Iran ist ein anderes Kaliber. Die Erwartung, die Herrschaft der Mullahs werde unter gezielten militärischen Schlägen rasch zusammenbrechen, könnte sich als ähnlich illusionär erweisen wie das vergebliche Warten auf jubelnde "befreite" Iraker. Die aufstrebende außereuropäische Welt wird dem amerikanischen Säbelrasseln noch eine andere Botschaft entnehmen: Wer Atomwaffen hat, wird umschmeichelt wie Pakistans Diktator Musharraf; wer keine hat, ist zum Abschuß freigegeben. Sicherer wird die Welt davon nicht. Was, wenn Teheran, das Schicksal des Irak vor Augen, davon ausgeht, daß der Krieg in jedem Fall kommt? Die logische Folge wäre, daß Iran sich so schnell wie möglich die Bombe verschaffen müßte, um sie in höchster Not auch einzusetzen. Das atomare Vabanque-Spiel der USA könnte der Auftakt zum ersten Nuklearkrieg der Weltgeschichte werden.


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