© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

Offenheit muß sein
Politiker wollen Debatte um ihre bezahlten Nebentätigkeiten aussitzen
Paul Rosen

Beschlüsse in eigener Sache zu fassen, ist schwierig. Dies ist auch eines der größten Probleme für die Abgeordneten in Bundestag und Landtagen, wenn sie über ihre Diäten, Kostenpauschalen und Altersversorgung zu befinden haben. In der Vergangenheit gingen die Reformen so aus, wie man es erwartet hatte: Die meisten Politiker standen nachher besser da als vorher.

Genauso verhält es sich mit den bezahlten Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten: Altgediente Bonner beziehungsweise Berlin Beobachter erinnern sich gut an die zahlreichen Versuche, mehr Transparenz zu schaffen. Alle diese Versuche schlugen fehl. Transparenz ist bis heute ein Fremdwort im Abgeordnetenrecht, wenn man von den nichtssagenden Pflichtveröffentlichungen über die Nebentätigkeiten der Politiker im zweiten Teil des Bundestags-Handbuches absieht.

Die Volksvertreter dürften in ihrer großen Mehrzahl auch kein Interesse daran haben, sich vom Volk in die Karten schauen zu lassen. Abgeordnete, die ihre Steuerbescheide im Internet veröffentlichen, sind bisher die Ausnahme. Auch die Fraktionsführungen haben schon klar signalisiert, daß an größere Änderungen nicht zu denken ist. Die Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen, die für die Aufstellung solcher Richtlinien zuständig sind, haben längst die Devise ausgegeben, die Causa Nebenjob müsse jetzt ausgesessen werden. So heißt es in einem Rundschreiben des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Schmidt, die Abgeordneten sollten auf Anfragen nach ihren persönlichen Nebentätigkeiten nicht mehr antworten.

Dieser Vorgang sagt alles. Nur Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat sich öffentlich für mehr Transparenz ausgesprochen. Thierse dürfte aber allenfalls seine persönliche Meinung vertreten. Für das "Hohe Haus" insgesamt spricht er gewiß nicht.

Dabei ist der öffentliche Schaden immens. In Teilen der Wählerschaft hat sich der Eindruck verfestigt, Konzerne wie RWE, Volkswagen, Dresdner Bank oder Siemens würden sich Scharen von Abgeordneten halten, die bei Bedarf für ihre Arbeitgeber tätig werden und ansonsten auf das Wohl des deutschen Volkes, dem sie verpflichtet sind, pfeifen. Zusammen mit der schlechten wirtschaftlichen Lage, hoher Arbeitslosigkeit und instabilen Sozialsystemen kann sich in Deutschland eine Stimmung zusammenbrauen, die für die parlamentarische Demokratie gefährlich werden könnte. Die Vertreter des demokratischen Systems laufen Gefahr, nicht mehr ernst genommen zu werden. Radikale Kräfte an den Rändern oder jenseits des demokratischen Spektrums dürften Morgenluft wittern.

Hinzu kommt, daß die Selbstreinigungskräfte im deutschen Parlamentarismus offenbar sehr begrenzt sind. Der ehemalige CDA-Chef Hermann Josef Arentz zog nicht von sich aus die Konsequenzen, als sein gut bezahlter Nebenjob in der Energiewirtschaft bekannt wurde, sondern mußte erst auf dem CDU-Parteitag in Düsseldorf aus dem Präsidium abgewählt werden. Erst danach verzichtete er auf alle weiteren Ämter.

Auch der ehemalige CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer ging nicht von sich aus an die Öffentlichkeit, nachdem sein Parteifreund Arentz aufgeflogen war, sondern gab nur häppchenweise zu, was ihm jeweils an Zahlungen des RWE/VEW-Konzerns nachgewiesen wurde.

Andere Volksvertreter wie die ehemalige Vorsitzende der Jungen Union, Hildegard Müller, die von der Dresdner Bank gesponsert wird, denken gar nicht an Rücktritt. Mit Jann-Peter Janssen zog wenigstens ein Hinterbänkler der SPD die Konsequenzen und trat zurück. Der Politiker aus Niedersachsen hatte Gehalt von VW bezogen. Andere Abgeordnete, denen Nebenjobs nachgewiesen wurden, üben sich in Kohlscher Tradition im Aussitzen.

Die betroffenen Politiker vertrauen darauf, daß das Thema Nebentätigkeiten und Korruption den Medien bald langweilig wird und aus den Schlagzeilen verschwindet - so wie über die Folgen des südostasiatischen Erdbebens nur noch auf den hinteren Seiten der Tageszeitungen berichtet wird. Doch die Rechnung wird nicht aufgehen. Das Ansehen der Politiker war schon schlecht und wird sich weiter verschlechtern, wenn nicht die Pflichten zur Veröffentlichung von Nebentätigkeiten und der Höhe der Bezüge verschärft werden.

Es ist wirklich nicht mehr vermittelbar, daß dieselben Politiker, die sich in Interviews lautstark für die Veröffentlichung von Manager-Gehältern aussprechen, in eigener Sache schweigsam werden. Konkrete Gesetzentwürfe zur Änderung des Aktiengesetzes und des Handelsgesetzbuchs sind bereits angekündigt. Damit sollen Konzerne gezwungen werden, die Bezüge ihrer Manager zu veröffentlichen. Es spricht doch nichts dagegen, gleichzeitig auch das Abgeordnetengesetz zu ändern und die Publizitätspflicht für Politiker-Einkünfte einzuführen.

Behauptungen, man werde keine Unternehmer oder Selbständigen mehr für den Bundestag gewinnen können, wenn die Einkünfte veröffentlicht werden müßten, sind vorgeschoben. Schließlich würde wohl niemand die These aufstellen, daß die großen Dax-Unternehmen keine Vorstandsmitglieder mehr finden werden, weil die Höhe ihrer Bezüge bekanntgegeben werden muß.


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