© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

Die Woche
Der organisierte Irrtum
Fritz Schenk

Einige Bilder wurden aus den Archiven geholt, aber viel Optisches vom Gründungskongreß der Grünen vor 25 Jahren bekamen die deutschen Fernsehzuschauer nicht zu sehen. Was sich dieser wirre Haufen von Querulanten, Nihilisten, linken Chaoten, naiven Weltverbesserern, gewaltbereiten Revoluzzern und verbohrten Ideologen aller Färbungen an Aufführungen geleistet hatte, daran möchten heute weder die Akteure von damals noch die mit ihnen sympathisierenden unkritischen Berichterstatter jener Zeit erinnert werden. Auch die abstrusen Parolen und Schlagworte ihrer "Kampfzeit" sollen vergessen werden, denn auch sie sind überholt wie das Outfit, auf das sie so stolz gewesen waren: langhaarig und mit Marx-Engels-Bärten, zerrissenen Jeans, ausgefransten Pullovern (vorgeblich selbstgestrickt), ausgetretenen Turnschuhen und schlabbrigen Windjacken. Jetzt sind Nadelstreifen und Designerklamotten zur Alltagsrobe etablierter Grüner geworden.

Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, daß sich auch ihre politischen Haltungen und Ziele geändert hätten. Bezeichnend auf ihrem Gründungsparteitag am 12. und 13. Januar 1980 war, daß angefangen von der Nachrüstung, dem Antiamerikanismus, der Antiatompolitik, dem Ruf nach totaler Abrüstung und Abschaffung von Bundeswehr und Nato, kein Wort über den damals soeben erfolgten Überfall der Sowjetunion auf Afghanistan verloren wurde. Wie die gesamte Linke predigten sie das Märchen vom "friedlichen Nebeneinander" der Blöcke, bewunderten die "sozialistischen Errungenschaften" in der DDR und biederten sich den kommunistischen Machthabern an. Wer - wie ihre Vorkämpferin Petra Kelly - sich auch für östliche Dissidenten und Verfolgte einsetzte, hatte bald keinen Platz mehr bei den Grünen.

Der damalige sozialdemokratische hessische Ministerpräsident Holger Börner hatte anfangs sehr treffend erkannt, daß der grüne Kern eigentlich rotbraun war, und sie mit den frühen Nationalsozialisten verglichen, die der ehemalige Betonfacharbeiter Börner am liebsten "mit der Dachlatte vom Bau getrieben" hätte. Dann mußte er sich der Parteiräson beugen und war der erste, der Joseph Fischer zum hessischen Landesminister machte und es hinnahm, daß dieser in Turnschuhen und "Räuberzivil" zur Vereidigung in den Hessischen Landtag kam. Damit wurden die Grünen salonfähig gemacht und begannen ihre Umerziehungspolitik.

Denn das ist das eigentlich Tragische an der Entwicklung seit der grünen Machtbeteiligung, daß sie mit Beharrlichkeit eine gesellschaftliche Umstrukturierung betreiben, die Deutschland auf die hinteren Ränge der Industriestaaten gebracht hat. Ihre Energiepolitik kostet uns Milliarden, ohne ein Jota an größerer Sicherheit oder Umweltnutzen zu bringen. Was der grüne Chefideologe Jürgen Trittin vom Windmühlenbau über Dosenpfand bis zu Entsorgungs- und Wiederaufbereitungsregelungen durchgesetzt hat, macht Deutschland bei unseren Nachbarn lächerlich und schreckt Investoren ab.

Darin aber kommt in erster Linie der totalitäre Wahn ideologischer Systemveränderer zum Ausdruck, mit welchem ein ganzes Volk und seine gewachsene gesellschaftliche Struktur in eine andere Richtung gedrängt werden sollen. Der totale Kontroll- und Regelungsstaat feiert Auferstehung. Und beide großen Volksparteien machen diesen Wahnwitz aus rein populistischer Machtkungelei mit!


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