© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

Hedonismus als Rechtsgrundlage
Gesetzliche Krankenversicherung: Steuerfinanzierte Abtreibungen sind Subventionen für den Kollaps des Sozialsystems
Jens Jessen

Derzeit hat Deutschland etwa 82,5 Millionen Einwohner. Laut Vorausberechnungen von De-mographen wird diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf das Niveau von 1963 absinken: auf schätzungsweise 75 Millionen. Ein Grund für diese Entwicklung: Von 1976 bis 2003 sind in Deutschland offiziell 4.046.005 Abtreibungen durchgeführt worden.

Das Statistische Bundesamt weist aber darauf hin, daß die Schwangerschaftsabbruchstatistik bis 1995 mit Vorbehalten zu betrachten ist: "Da ein Teil der Ärzte ihrer gesetzlichen Auskunftspflicht nicht bzw. nur unzureichend nachkam und Kontrollmöglichkeiten aufgrund der anonymen Auskunftserteilung nicht zur Verfügung standen, ist bis dahin von einer nicht unerheblichen Untererfassung der Schwangerschaftsabbrüche auszugehen".

Werden die statistischen Angaben von 1995 mit 1996 verglichen, ergibt sich eine sprunghafte Zunahme der Schwangerschaftsabbrüche um 33,7 Prozent. Die tatsächliche Zahl der Abtreibungen von 1976 bis 2003 wird wohl eher bei fünf Millionen als bei vier Millionen zu finden sein, da die Maßnahmen im Ausland überhaupt nicht erfaßt werden.

Abbrüche aufgrund einer sozialen Indikation sind im Unterschied zu den nicht rechtswidrigen Abbrüchen einer medizinischen oder kriminologischen Indikation keine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Kosten für diese Abbrüche müssen von den Frauen übernommen werden.

Unterschreitet allerdings das Einkommen einer abtreibungswilligen Frau eine bestimmte Grenze, erhält sie Sachleistungen von ihrer Krankenkasse nach dem Gesetz zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen (SchwHG), die der Krankenkasse von dem zuständigen Bundesland erstattet werden. In Paragraph 1 Absatz 1 des SchwHG heißt es: "Eine Frau hat Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz, wenn ihr die Aufbringung der Mittel für den Abbruch einer Schwangerschaft nicht zuzumuten ist."

Das ist dann der Fall, wenn ihre verfügbaren persönlichen Einkünfte in Geld und Geldwert 912 Euro in Mitteldeutschland bzw. 961 Euro in Westdeutschland (Einkommensgrenze) nicht übersteigen und ihr persönlich kein kurzfristig verwertbares Vermögen zur Verfügung steht oder der Einsatz des Vermögens für sie eine unbillige Härte bedeuten würde. Auch die nicht berufstätige Ehefrau eines wohlsituierten Mannes kommt in den Genuß dieser Sozialhilfe, wenn sie keinen durch Ehevertrag vereinbarten Anspruch auf eine monatliche Apanage von mehr als 912 bzw. 961 Euro hat.

Auf der Grundlage des "Karlsruher Urteils" des Bundesverfassungsgerichts von 1993 wurde eine Besonderheit im Sozialrecht geschaffen. Die Abtreibung ist von den Verfassungsrichtern zur alleinigen Angelegenheit der Frau erklärt worden. Den Erzeuger des Kindes muß die Frau weder informieren noch seine Zustimmung zur Abtreibung einholen. In anderen Fällen der Sozialhilfe sieht das anders aus. Das Verfassungsgericht hat damit den Hedonismus zur Rechtsgrundlage menschlichen Zusammenlebens in Deutschlands befördert.

Die Kosten der Abtreibungen in Deutschland werden schamhaft verschwiegen, da sie aus Steuermitteln erstattet werden. Die deutschen Steuerzahler von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern und Baden-Württemberg finanzieren die Auslöschung von Leben ohne Widerspruch. Dreizehn Bundesländer haben im Jahr 2003 in ihre Haushalte insgesamt 35.882.000 Euro für diesen Zweck eingestellt. Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg passen mit offiziellen Zahlen. Anhand der Abtreibungsstatistiken des Statistischen Bundesamtes für diese Länder können getrost noch einmal fünf Millionen Euro als realistisch angesehen werden.

Dem einzelnen Steuerzahler von heute ist wahrscheinlich nicht klar, daß er sich selber den Ast absägt, auf dem er sitzt. Jede Abtreibung bedeutet auch den Wegfall eines künftigen Steuerzahlers. Steuerfinanzierte Investitionen in Forschung, Bildung, Kultur, Gesundheit Stadtentwicklung, Infrastruktur werden erschwert und schließlich unterlassen. Jede Abtreibung mindert die Wirtschaftskraft, und die fehlenden Beiträge in der Kranken- und Rentenversicherung haben zur Folge, daß die derzeitigen Steuerzahler weniger Leistungen aus der Kranken- und Rentenversicherung im Alter erwarten können. Schließlich sind es die Nachwachsenden, die das Geld beschaffen müssen, damit die Menschen im Alter im Rahmen des Generationenausgleichs nicht unerträglich belastet werden.

Die Beiträge der Rentner an die GKV decken nur 60 Prozent der Kosten. Die Beitragslücke wird durch die Beiträge der im Arbeitsprozeß stehenden Mitglieder der GKV geschlossen. Ähnlich sieht es bei der Rentenversicherung (GRV) aus, die nur dann Renten zahlen kann, wenn Beitragszahler die entsprechenden Mittel aufbringen. Eine Gesellschaft, die mit Abtreibung die Beitragszahler der Zukunft vermindert, wird mit einem geringeren Rentenniveau auskommen müssen.

Die 41 Millionen Euro, mit denen sich die Länder an der Reduzierung ihrer Landeskinder beteiligen, sind aber nur die sichtbaren Kosten. Die Steuerausfälle bei Bund, Ländern und Kommunen und die Beitragsausfälle bei den Sozialversicherungsträgern über die durchschnittliche Zeit der Erwerbstätigkeit der fünf Millionen Abgetriebenen geht in die Hunderte von Milliarden Euro. Der Kollaps der Staatsfinanzen und der Sozialsysteme in Deutschland ist vorgezeichnet.

Der durch Abtreibungssubventionen forcierte demographische Wandel in den Ländern hat für Sachsen-Anhalt schon die ersten Folgen gehabt: Die Rating-Agentur Standard&Poor stufte die Kreditwürdigkeit dieses Bundeslandes aufgrund der demographischen Entwicklung herab, weil sie negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hätte. Was Sachsen-Anhalt geschehen ist, werden auch andere Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin erleben.


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