© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/05 21. Januar 2005

WIRTSCHAFT
Erlaubter Diebstahl der Euro-Stabilität
Bernd-Thomas Ramb

Die Diskussion um die Aufweichung des EU-Stabilitäts-und Wachstumspakts, der die Euro-Währung vor Zerfallserscheinungen schützen soll, hat im Vorfeld zu ersten Kontroversen zwischen der deutschen Regierung und der EU-Kommission geführt. Während EU-Währungskommissar Joaquín Almunia (ein spanischer Sozialist) sich nur eine stärkere Berücksichtigung landesspezifischer ökonomischer Sonderentwicklungen im Rahmen eines Defizitverfahrens vorstellen kann, möchte der Bundeskanzler, daß bei Vorliegen wirtschaftlicher Sonderfaktoren das im Stabilitätspakt vorgesehene Strafverfahren erst gar nicht eingeleitet wird. Finanzminister Hans Eichel setzt noch eins drauf. Man müsse von der "Philosophie wegkommen, daß es automatische Sanktionen gibt, unabhängig vom Verhalten der Länder. Das Land muß es selber wollen, das muß der Pakt bewirken." Sprich: Wenn sich ein Land über die im Stabilitätspakt gesetzte Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts neu verschulden will, hat nicht das Land, sondern der Stabilitätspakt versagt.

Schon die Forderung von Gerhard Schröder stellt eine juristische Kapriole dar. Einen des Diebstahls überführten Einbrecher erwartet kein Strafverfahren, in dem ihm möglicherweise mildernde Umstände zugebilligt werden, nein, die Polizei läßt ihn mit der Beute laufen, weil er versichert, nicht anders hätte handeln können. Eichels Auslegung des Euro-Stabilitätspakts korrespondiert mit der Auffassung: Den Dieb muß man laufenlassen, weil es dem Gesetzgeber nicht gelungen ist, ihn schon im Vorfeld vom Unrecht seines Einbruchs zu überzeugen. Die Analogie ist zutreffend, denn die Verletzung des Stabilitätspakts bedeutet Diebstahl an der Stabilität des Euro.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen