© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/05 28. Januar 2005

Falsche Antworten
Die NPD provoziert in Dresden und hat - teilweise - recht
Dieter Stein

Mit einer geschichtspolitischen Provokation hat die sächsische Landtagsfraktion der NPD in den letzten Tagen die Schlagzeilen beherrscht. Sie hatte am vergangenen Freitag den Antrag auf eine Schweigeminute zum Gedenken an die Bombenopfer des alliierten Angriffs auf Dresden am 13. Februar 1945 stellen wollen. Die übrigen Landtagsfraktionen (CDU, SPD, Grüne, FDP und PDS) folgten einem Antrag des Landtagspräsidenten, der - um den NPD-Antrag zu unterlaufen - eine Schweigeminute für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft (Opfer des Bombenangriffs auf Dresden inbegriffen) einlegen ließ.

Daß die NPD-Abgeordneten den NS-Opfern die Ehrung verweigerten, ist unerhört. Mit dem im Landtag provozierten Eklat, zu dem die Reaktion der übrigen Fraktionen beigetragen hat, wurde aber ein Schlaglicht darauf gerichtet, daß es in Deutschland noch immer an der Fähigkeit mangelt, aller Opfer - das heißt auch aller eigenen Opfer zu gedenken. Das Ausmaß der Irritation und der hysterischen Reaktion auf den Dresdner Eklat rührt auch daher, daß die NPD offenkundig einen wunden Punkt berührt hat.

Daß die NPD selbst keine vernünftige Antwort hierzu beizusteuern hat, macht eine Erklärung nach der Landtagssitzung deutlich, in der sie verkündet: "Auch die NPD-Fraktion hält grundsätzlich ein würdiges Erinnern an alle Opfer für notwendig und sinnvoll, ist aber der Ansicht, daß es das Recht des deutschen Volkes ist, zu gegebenen Anlässen um die eigenen Opfer zu trauern." Die Opfer des Lagersystems, für das Auschwitz symbolisch steht, waren eben nicht nur "fremde" Opfer, sondern auch in diesem Sinne, wenn man schon vollmundig vom "deutschen Volk" spricht, eigene Opfer. Deutsche Juden, Kommunisten, katholische Priester und evangelische Pfarrer, Sozialdemokraten, Homosexuelle. Diese aus dem exklusiven Kreis der "eigenen Opfer" auszugemeinden, zeigt, daß man wenig begriffen hat - oder der Logik der Nationalsozialisten folgt.

Statt sich mit den von der NPD berechtigterweise aufgeworfenen Fragen der deutschen Gedenkkultur auf eine andere, souveränere Weise auseinanderzusetzen, verfallen Politiker und Medien wieder in hysterische Reflexe. Allein wegen eines Antrages für das Gedenken an die Bombentoten wird allen Ernstes über die Neuaufnahme eines Verbotsverfahrens gegen die NPD diskutiert!

Es gerät in Vergessenheit, daß es in einer Demokratie ein Recht auf Opposition gibt. Erst im Dezember mahnte der Jurist Horst Meier in der Zeitschrift Merkur mit Blick auf die NPD: "Es ist absurd, die Legalität politischer Minderheiten zu widerrufen, nur weil sie den Legitimitätsvorstellungen der herrschenden Mehrheit nicht gehorchen." Die NPD ist zweifellos eine radikale Partei. Im Meinungsstreit der agierenden deutschen Parteien gelingt es ihr derzeit zudem, scheinbar exklusiv die "nationale Position" zu besetzen. Daß man das "Nationale" nun einer Partei überläßt, die offenkundig größte Probleme mit ihrer Distanz zum Nationalsozialismus hat, ist das eigentlich Verantwortungslose.

Die Sozialdemokraten können ebenso wie Liberale und Christdemokraten auf große nationale Integrationsgestalten zurückblicken. Inzwischen hat eine wachsende Zahl von Bürgern aber Zweifel, ob der politischen Klasse noch bekannt ist, daß sie nicht sich selbst, sondern dem deutschen Volk zu dienen hat, dem nicht nur das Grundgesetz, sondern auch der Reichstag gewidmet ist und für dessen Wohl die Minister gemäß Amtseid geloben müssen, nach Kräften zu arbeiten.

Je lauter nun anstelle einer ernsten inhaltlichen Auseinandersetzung hysterisch über Verbote und Diskriminierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der NPD diskutiert wird, desto größer wird ihre demokratische Existenzberechtigung. Die NPD ist das lebende schlechte Gewissen der übrigen Parteien, die Existenzfragen des Volkes vernachlässigen - in der Zuwanderungsfrage, bei den Folgen der Globalisierung, der Frage staatlicher Souveränität.

Die NPD als derzeit radikalste "rechte" Partei tritt auch als bittere Rache des Wählers für das Ausschalten anderer, demokratisch gemäßigterer rechter oder konservativer Alternativen im Parteienspektrum auf. Wenn bereits eine nationalliberale Formation wie der Bund Freier Bürger (BFB) des einst langjährigen bayerischen FDP-Landesvorsitzenden, Manfred Brunner, oder die nationalkonservativen Republikaner als "rechtsradikal" oder "rechtsextremistisch" bekämpft werden; wenn ein grundanständiger CDU-Konservativer wie Martin Hohmann von den Medien und der eigenen Partei gejagt wird, allen voran von der Bild-Zeitung, die ihn bis heute als "CDU-Hetzer" schmäht; wenn eine maßvolle politische Alternative gesellschaftlich unmöglich gemacht wird, dann kommt schlußendlich auf einen groben Klotz ein grober Keil - damit muß bei den nächsten Wahlen gerechnet werden.

Und wenn die Regierungen des Bundes und der Länder darauf verfallen, eine Neuauflage des unsäglichen "Aufstandes der Anständigen" zu inszenieren, so wird diese überzogene "Kampf gegen Rechts"-Hysterie der NPD bei den nächsten Landtagswahlen erst recht Wähler zutreiben. Viele hören die Botschaft, die Warnung vor der "rechten Gefahr" wohl, doch es fehlt ihnen der Glaube. Wenn die CDU untergehakt mit den Postkommunisten von der PDS gegen "Rechts" marschiert, dann muß etwas faul sein im Staate.


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