© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/05 28. Januar 2005

Zeitschriftenkritik: Humanes Leben - Humanes Sterben
Wer "Humanität" sagt . . .
Werner Olles

Die Verbandszeitschrift der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS), Humanes Leben - Humanes Sterben (HLS), erscheint vierteljährlich im 25. Jahrgang. Ihr Gründungsdatum fällt mit dem der DGHS im November 1980 zusammen. Das Titelbild der aktuellen Ausgabe ziert Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die sich laut HLS "energisch für eine ausgewogene zusätzliche Absicherung der Patientenverfügung im (Betreuungs-)Gesetz ausspricht, während ihre Vorgängerin Hertha Däubler-Gmelin "vieles noch zum Tabu erklärte". Daß die Ministerin den Verband offiziell zu einer Stellungnahme hinsichtlich der geplanten Gesetzesänderung gebeten hat, erfüllt diesen natürlich zusätzlich mit Genugtuung.

Tatsächlich zeigt die öffentlich-rechtliche Diskussionslage im Hinblick auf Patientenrechte und Patientenwillen, daß es hier rechtliche Grauzonen gibt. So strotzen angeblich selbst halbamtliche Publikationen wie Das Parlament von Halbwahrheiten und Desinformationen, wenn etwa behauptet wird, der Arzt fälle die Therapieentscheidungen, denn "nur er kann die näheren Umstände, also die Krankheit des Patienten beurteilen". Das ist schlicht falsch, da letztlich der Patient das Sagen hat und jede Therapieentscheidung des Arztes gegen den Willen des Patienten strafrechtlich als Körperverletzung einzustufen ist. Oberstes Ziel der DGHS ist die "Erhaltung der Selbstbestimmung bis zur letzten Lebensminute - ungeachtet nicht selten herabsetzender und/oder ideologischer Gegenargumente". Daher betrachtet der Verband den Freitod als "Ultima Ratio, d.h. letzten Ausweg". Panik- und Kurzschluß-Suiziden müsse dabei im "Interesse einer ausgewogenen Suizidprophylaxe" entgegengewirkt werden. Das hört sich zunächst gut an, und man möchte der DGHS auch gern glauben, wenn sie beteuert, "kein Suizidverein" zu sein, sondern "eine bürgerrechtliche Patientenschutzorganisation, die das Bewußtsein für die Notwendigkeit rechtzeitiger selbstbestimmter und frei verantwortlicher Vorsorge für die existentiellen Probleme bei schwerem Leiden und im Sterbeprozeß wecken und ihren Mitgliedern dabei Hilfestellung geben will".

Doch gerade auch in diesem heiklen Bereich existieren Grauzonen, und darüber würde man schon gern mehr erfahren. Im übrigen ist passive Sterbehilfe heutzutage der Regelfall, und Gott sei Dank machen Palliativmedizin und Hospizbewegung weiter Fortschritte, wenngleich auf diesen Gebieten noch mehr getan werden müßte. Zudem macht die ständige Betonung von "Humanität" mißtrauisch, angesichts einer weitgehend moralisch pervertierten Gesellschaft, die jährlich eine Viertelmillion (!) ungeborene Kinder in den Mülleimern der Abtreibungskliniken entsorgt und ihre Alten in sogenannten Pflegeheimen dahinvegetieren läßt. Man muß hier keineswegs an das Verhalten von Juristen und Medizinern bei der Vernichtung "unwerten Lebens" im Dritten Reich erinnern. Es genügt der Gedanke, daß eine verrückt gewordene Gesellschaft auch die Tötung von Rentnern und Greisen als "human" ausgeben kann, sollte es ihr nützlich erscheinen.

Anschrift: Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben, Postfach 11 05 29, 86030 Augsburg. Einzelpreis 4 Euro. Internet: www.dghs.de 


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