© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/05 04. Februar 2005

Frisch gepresst

Humboldt. Über die Dietrich Spittas Arbeit "Die Staatsidee Wilhelm von Humboldts" (Duncker & Humblot, Berlin 2004, 330 Seiten, 79,80 Euro) ankündigende Information des Verlages, der zufolge Humboldts "grundlegende politische Ideen" bisher keine "zusammenfassende Darstellung" erfahren hätten, kann man streiten. Denn das Opus magnum des Meinecke-Schülers Siegfried A. Kaehler, "Wilhelm von Humboldt und der Staat", 1927 veröffentlicht, analysiert die politische Ideenwelt des preußischen Bildungsreformers gewiß in nahezu enzyklopädischer Vollständigkeit. Und obwohl Kaehlers Werk damals einem Denkmalsturz gleichkam, weil es, auch im Rückgriff auf Sigmund Freuds Theorien, vom idealisierten Bild des preußischen Pflichtmenschen nicht viel übrigließ und ihn als staatsfremden Individualisten und Ästheten präsentierte, ist es bis heute weder als "zusamenfassende Darstellung" noch als im Kern zutreffende Deutung des politisch-apolitischen Humboldt übertroffen worden. Spitta, schon 1962 mit einer Dissertation über Humboldts Jugendschrift "Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen" (1791) promoviert, ist nun also mit einem "Anti-Kaehler" zu einer neuen Gesamtdarstellung angetreten, die hier demnächst noch in einer ausführlichen Rezension im Vergleich mit ihrem großen Vorläufer und Kontrahenten gewürdigt werden soll.

Trakehnerflucht. Neidlos muß man angelsächsischen Autoren einräumen, daß sie über ein ausgeprägtes Talent verfügen, Geschichte zu polarisieren, dabei mit dem auf kontinentales Publikum manchmal peinlich wirkenden "human touch" nicht geizend. Dieses Rezept wendet auch die ehemalige Times-Korrespondentin Patricia Clough bei der Komposition ihrer handlichen zeithistorischen Reportage über "Die Flucht der Trakehner aus Ostpreußen" (In einer langen Reihe über das Haff. DVA, München 2004, 207 Seiten, Abbildungen, gebunden, 19,90 Euro) an. So schüttelt man zwar bei vielen ihrer zeithistorischen Urteile über den Untergang Ostpreußens den Kopf, stimmt allerdings gerne der gekonnt gnadenlosen Schwarzzeichnung des Gauleiters Erich Koch zu. Man bewundert ihre straffe Erzählweise, die das Schicksal der edlen ostpreußischen Pferde wie das ihrer Betreuer, der Beamten und Angestellten des größten Landgestüts Europas, von der Flucht im Oktober 1944 aus dem Landkreis Stallupönen (1938 in Ebenrode umbenannt) bis zum Neuanfang 1947/48 im Westen, wo die ostpreußischen Warmblüterzucht ihren Schwerpunkt in Holstein fand, so spannend darbietet, daß die Empfehlung, man könne das Buch in einem Zug durchlesen, einmal nicht als Feuilletonfloskel aufgefaßt werden sollte.


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