© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/05 04. Februar 2005

Neulich im Internet
Handy-TÜV
Erol Stern

Während ich mich nach zehn Jahren Handynutzung und zig Geräten kaum noch für die mobilen Helferlein interessiere, amüsiere ich mich stets köstlich über die Zoten, die der Fetisch Mobiltelefon in vielen Kulturkreisen produziert. Sind es hierzulande merkwürdigerweise meist die ärmsten Bevölkerungsschichten, die stets die teuersten, neuesten und kleinsten (antiproportional zur Größe des Fernsehers und proportional zu der des Bücherregals) Modelle Gassi führen, ist die Begeisterung andernorts durch alle sozialen und intellektuellen Schichten hindurch oftmals noch skurriler. So denke ich an ein Erlebnis zurück, als ich einen Notruf erwog, weil sich zwei Libanesen in ihrer Muttersprache so heftig stritten, als würden sie sich gleich an die Gurgel gehen. Lediglich die Wörter "Ericsson" und "Nokia" deuteten auf die wahre Natur des Disputs hin. In Saudi-Arabien hingegen spaltet die Thematik das Volk in zwei wesentlich ernstere Fraktionen, da sich technikbegeisterte Besitzer von Fotohandys mit Erfolg gegen ein Verbotsgesetz fundamentalistischer Sittenwächter gewehrt haben, weil die Geräte der unziemlichen Kontaktaufnahme von Mann und Frau dienen können. Auch das Fotografieren von unverschleierten Frauen ist moralisch bedenklich. Während der Prohibition wurden jedoch Hunderttausende Telefone mit Kamera nach Saudi-Arabien geschmuggelt, was bisweilen in Übergriffen und Forderungen nach moralischen Eignungstests für die Besitzer gipfelte. Da fragt man sich doch, warum wir Deutschen noch keinerlei Handyführerschein, -steuer, -TÜV oder -pfand erfunden haben, pi(e)sa(ck)t Euer EROL STERN


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