© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/05 11. Februar 2005

Tun, was Amerikaner immer getan haben
USA: Präsident Bush und Außenministerin Rice erklärten der Welt ihre außenpolitischen Ziele / "Kampf gegen die Tyrannei"
Michael Wiesberg

Condoleezza Rice, die gerade mehreren europäischen Regierungen ihre Aufwartung als US-Außen-ministerin gemacht hat, um sich dann dem Nahen Osten zuzuwenden, startete ihre Antrittsreise mit der Botschaft, daß die USA derzeit keinen Angriff auf den Iran planten: "Die Frage steht derzeit nicht auf der Tagesordnung", erklärte Rice kategorisch und fügte hinzu: "Wir haben diplomatische Mittel."

Zuvor belehrte die 51jährige Afroamerikanerin die Iraner einmal mehr über den Charakter ihres Regimes: "Ich glaube nicht, daß auch nur irgend jemand glaubt, daß die nicht gewählten Mullahs, die dieses Regime bilden, eine gute Sache für das iranische Volk und die Region sind." Was von den Auskünften Rices über den Iran zu halten ist, zeigt ein Bericht von Julian Borger in der englischen Zeitung The Guardian.

"Der Iran bleibt der Hauptförderer des Terrors"

Unter der Überschrift "US-Kampfflugzeuge überfliegen den Iran, um mögliche Ziele ausfindig zu machen" verweist Borger auf entsprechende Berichte in den iranischen Medien. Der iranische Brigadegeneral Karim Kavami soll seine Flugabwehr-Batterien angehalten haben, jeden Eindringling aus der Luft zu beschießen. Natürlich dementierte die US-Armee diese Berichte umgehend und behauptete, Teheran versuche durch derartige Meldungen international Sympathien zu gewinnen.

Skepsis gegenüber den Erklärungen der US-Militärs ist allerdings angebracht. Dies gilt um so mehr vor dem Hintergrund der Rede von US-Präsident George W. Bush zur Lage der Nation von Mittwoch vergangener Woche. Dort stellte er mit Blick auf den Iran fest: "Der Iran bleibt der Hauptförderer des Terrors in der Welt und strebt nach Atomwaffen, während er seinem Volk die Freiheit vorenthält, die es anstrebt und verdient. ... Dem iranischen Volk sage ich heute abend: Wenn ihr für Eure Freiheit steht, dann steht Amerika an Eurer Seite."

Viele "politische Beobachter" werteten es als "bemerkenswert", daß Rice - und demnächst auch Bush selbst - zuerst Europa aufsuchten, um ihre Politik zu erläutern, statt nach Tokio, Moskau oder Peking zu reisen. Angeblich erwiesen sie damit dem "alten Europa" die Reverenz. Ob diesem damit tatsächlich die "Reverenz" erwiesen wird oder ob es sich hier nicht vielmehr um die Einschwörung der Vasallenstaaten auf die von den USA vorgegebene Linie handelt, ist allerdings die Frage.

Mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sprach Rice über die Aufbauhilfe für den Irak. Außerdem sind die Einzelheiten für den Deutschlandbesuch von Präsident Bush am 23. Februar festgelegt worden. Deutliches Mißfallen bekundete Rice gegenüber einer möglichen Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China, die insbesondere von deutscher und französischer Seite ins Spiel gebracht worden ist.

Der neue deutsch-amerikanische Verständigung droht allerdings noch durch Unstimmigkeiten ganz anderer Art überschattet zu werden: Die USA sind bestrebt, möglichst viele ihrer etwa 10.000 Soldaten aus Afghanistan abziehen. Nach Spiegel-Informationen möchten sie deshalb die bisher streng getrennten Operationen zur Terrorbekämpfung ("Enduring Freedom") und zur Stabilisierung des Landes ("Isaf") zusammenlegen und den Europäern zusätzlich riskante Aufgaben nahe der Grenze zu Pakistan übertragen. Angeblich lehnte das Kanzleramt dieses Ansinnen ab. Der grüne Außenminister Joseph Fischer und Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sollen derzeit nach einer Kompromißformel suchen. Intensives Grübeln über diese Formel ist angebracht, zeigt doch der Fall Spanien, wie die USA in Zukunft mit Unbotmäßigkeit umzugehen zu gedenken. Madrid fehlte nämlich auf der Reiseroute der neuen US-Außenministerin.

Präsident Bush hat sich in seiner bereits angesprochenen Rede zur Lage der Nation einmal mehr als politischer Missionar inszeniert: "Laßt uns das tun, was wir Amerikaner immer getan haben", verkündete der alte und neue US-Präsident, "laßt uns eine bessere Welt für unsere Kinder und Kindeskinder schaffen." Auch die neuentdeckte Liebe zur Freiheit durfte nicht fehlen: Bush prognostizierte einen weltweiten Siegeszug der Demokratie an und sprach von "Meilensteinen in der Geschichte der Freiheit".

Als direkte Drohung gegen Syrien oder Iran muß die Auskunft Bushs verstanden werden, daß es die USA mit ihrer Forderung nach einer Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens ernst meinten (Stichwort: "Greater Middle East"-Programm"): "Amerika wird mit seinen Verbündeten der Freiheit die demokratischen Bewegungen im Nahen Osten und darüber hinaus unterstützen mit dem Ziel, die Tyrannei in unserer Welt zu beenden", so Bush wörtlich.

Auffällig an Bushs Rede war, daß Rußland, China, Afrika und selbst Lateinamerika fehlten und Europa nur am Rande vorkam. Auch die Uno fand er keiner Erwähnung wert. Augenscheinlich spielen diese Regionen vor dem Hintergrund des "Kampfes gegen die Tyrannei" nur noch eine marginale Rolle in den Überlegungen Bushs. Oder er hält eine eigene Thematisierung nicht mehr notwendig. Es reicht aus seiner Sicht augenscheinlich aus, die Kerninteressen der USA anzusprechen, auf die sich der Rest der Welt dann einzustellen hat.

Demokratie und Freiheit in alle Teile der Welt tragen

Bei der Umarmungsseligkeit, die nach der Rede Bushs ausbrach, mochten auch die Demokraten nicht abseits stehen. Nach der Ansprache umarmten sich beispielsweise Bush und der demokratische US-Senator Joe Lieberman. Und auch Senator John Kerry, der am 2. November 2004 die Präsidentschaftswahl gegen Bush verloren hatte, klatschte mehrfach Beifall. In diesem Meer von Sentimentalität geriet der Auftritt der irakischen "Menschenrechts-Anwältin" Safia Taleb al-Suhail auf der Zuschauertribüne, die von Bush als "Heldin" gewürdigt wurde, zum nicht mehr zu überbietenden Höhepunkt. "Wir waren 35 Jahre von Saddam Hussein besetzt, das war die wahre Besatzung. Dank dem amerikanischen Volk, das einen so hohen Preis zahlt", zitierte Bush die aus Bagdad stammende Irakerin.

Bei soviel Sendungsbewußtsein geriet die Innenpolitik fast völlig aus dem Blick. Dabei sollte eigentlich die geplante Reform des unter Präsident Franklin Delano Roosevelt eingeführten Altersvorsorgesystems, für das Bush eine radikale Teilprivatisierung plant, im Mittelpunkt stehen. Doch als Bush behauptete, die staatliche Rentenkasse (Social Security) werde spätestens 2042 zahlungsunfähig sein, buhten wütende US-Demokraten: "Nein - falsch!" Das brachte Bush sichtbar aus dem Konzept. Denn die private Altersvorsorge wird zwar unzählige Milliarden an die New Yorker Wall Street spülen - ob die US-Rentner an ihrem Lebensabend aber vor einem ähnlichen Kurseinbruch verschont bleiben wie beim Platzen der "New Economy"-Blase, kann niemand mit Sicherheit versprechen - auch Bush nicht. Aber was kümmern derartige Petitessen, wenn es die Fackel von Demokratie und Freiheit in alle Teile der Welt zu tragen gilt?


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