© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/05 11. Februar 2005

Baltische Herbstbilder
Klassiker über Deutschbalten
Matthias Bäkermann

Kaum jemand verstand den Untergang seiner Lebenswelt derart treffend zu schildern wie der aus Livland stammende Schriftsteller Siegfried von Vegesack. Der deutschbaltische Landadlige setzte mit seiner in den dreißiger Jahren erschienenen Trilogie "Die baltische Tragödie" der Herrlichkeit, den Wirrnissen und dem Ende seiner Gesellschaft im Baltikum ein Denkmal. Der "Verlag für Sammler" - ein Ableger des Grazer Leopold Stocker Verlages - hat nun das jahrzehntelang im Staub der Antiquariate befindliche Buch neu aufgelegt . Ein umfangreiches Vorwort führt kenntnisreich in die Biographie von Vegesacks, seines Werks und dessen Rezeption ein und ordnet seinen Roman treffend in das historische Umfeld ein.

Der 1888 geborene Dichter schildert anhand seines Alter ego, des Gutsbesitzersprößlings Aurel von Heidenkamp, das ständisch geprägte Leben in der livländischen Idylle vor dem Ersten Weltkrieg. Insbesondere bei der Schilderung der Revolution von 1905 wird die Erschütterung deutlich, mit der diese Beschaulichkeit erstmals herausgefordert wird. Selbst danach steht sie der sozialen Schieflage zur lettischen Bevölkerung konzeptlos gegenüber. Besonders der schulisch bedingte Aufenthalt des Erzählers im großstädtischen Riga erschließt neben den sozialen Verwerfungen die nationale Spannung zwischen Deutschen, Letten und den in Verwaltung und Militär dominierenden Russen.

Ähnlich wie in Joseph Roths "Radetzkymarsch" fällt diese alte Welt mit dem Erstzen Weltkrieg in sich zusammen. Von Vegesack beschreibt die von der dünnen deutschen Oberschicht erlebte Befreiung durch das deutsche Heer, deren Rückzug Ende 1918, den danach einsetzenden Terror der "Roten" und die Befreiung Rigas durch deutsche Freikorps und die Baltische Landeswehr. Mit dem tragischen Ende des Kampfes der "Weißen" gegen die "Roten" und der Unabhängigkeit der baltischen Staaten enden die letzten Privilegien der Deutschbalten. Wie die Geschichte lehrt und von Vegesack schon andeutet, sollte diese beschnittene Existenz dann nur ein Intermezzo vor dem Exodus 1940 und dem Verschwinden deutscher Kultur im Baltikum werden.

Siegfried von Vegesack: Die baltische Tragödie. Die vergessene Bibliothek, Verlag für Sammler. Graz 2004, 520 Seiten, gebunden, 19,90 Euro


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen