© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

Aufstand der alten Garde
Auswärtiges Amt: Mit einer Todesanzeige für einen verstorbenen Kollegen demonstrieren ehemalige Diplomaten gegen Fischers umstrittenen Gedenkerlaß
Marcus Schmidt

Die Anzeige hat es in sich. Nicht nur, daß man lange in den Zeitungsarchiven zurückblättern muß, um eine Todesanzeige zu finden, die von 121 Personen namentlich gezeichnet ist - die Sterbeanzeige für den Botschafter a. D Franz Krapf, die am Mittwoch der vergangenen Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurde, ist ein stiller Protest der alten Garde des Auswärtigen Amtes gegen die Geschichtspolitik von Außenminister Joseph Fischer.

Anlaß für den Protest war eine Anweisung des Auswärtigen Amtes aus dem Herbst 2003, nach der verstorbene Diplomaten, die Mitglied in der NSDAP waren, keinen Nachruf mehr im amtlichen Teil der Zeitschrift InternAA erhalten. Prominentes "Opfer" der Regelung war der am 23. Oktober 2004 verstorbene Ex-Diplomat Franz Krapf.

Nachdem die JUNGE FREIHEIT bereits Ende Januar über den Skandal um den verweigerten Nachruf berichtet hatte (JF 05/05), nahmen unter anderem die FAZ, die Welt und der Spiegel die Anzeige jetzt zum Anlaß, ebenfalls über die neuerliche Affäre im Auswärtigen Amt zu berichten.

Der Wirbel um die ungewöhnliche Todesanzeige ist nicht verwunderlich: Die Liste mit den Namen der Unterzeichner Anzeige liest sich wie ein "Wer ist Wer" des diplomatischen Dienstes der vergangenen 50 Jahre. Neben Heinz Schneppen, dem ehemaligen deutschen Botschafter in Tansania, der die beanstandete Gedenkpraxis öffentlich gemacht hatte, finden sich die Namen des langjährigen Botschafters Erwin Wickert, von Ex-Nato-Botschafter Hermann Freiherr von Richthofen aber auch von Hans-Georg Wieck, dem ehemaligen Chef des BND.

Andere Unterzeichner tragen die Familiennamen hingerichteter Widerstandskämpfer. Ein von Moltke ist ebenso vertreten wie ein von Stülpnagel und ein Graf Yorck von Wartenburg. Diese auffälligen Namen verweisen auf einen Umstand, der die kritisierte Anweisung vollends absurd erscheinen läßt: Das Auswärtige Amt ehrt die zwölf hingerichteten Widerstandskämpfern aus den eigenen Reihen mit einer Gedenktafel im Amt am Werderschen Markt in Berlin. Sechs von ihnen, Ulrich von Hassell, Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, Adam von Trott zu Solz, Eduard Brücklmeier, Hans Litter und Herbert Gollnow, waren ebenfalls Mitglieder der NSDAP - es hielt sie nicht davon ab ihr Leben zu riskieren, um das Regime, das dieser Partei entwachsen war, zu beseitigen. Zu Recht sind die Genannten trotz des "Makels" ihrer Parteizugehörigkeit - Brücklmeier gehörte wie Krapf zudem der SS an - auf der Ehrentafel verzeichnet worden.

Nicht nur bei den Unterzeichnern stößt die Verweigerung eines offiziellen Nachrufes für Krapf daher auf Unverständnis. Offensichtlich konnten mehrere aktive Diplomaten nur mit Mühe davon überzeugt werden, daß es für ihre weitere Karriere unter Umständen nicht eben förderlich wäre, sich ebenfalls an dem stillen Protest zu beteiligen. Auch sie stören sich daran, daß der NSDAP-Mitgliedschaft von Krapf mehr Gewicht zugemessen wird als seinen Verdiensten beim Aufbau eines demokratischen Nachkriegs-Deutschland. Nicht ohne Grund bezeichnete Hans-Dietrich Genscher in seiner Grabrede Krapf als eine große Persönlichkeit der Aufbaugeneration.

Während der Skandal am Mittwoch auf der Tagesordnung des Auswärtigen Ausschusses stand, bejubelt der Spiegel die Nachruf-Regelung. Das Magazin beklagt, daß "das Außenamt jahrzehntelang großzügig über Verstrickungen seiner Mitarbeiter im Hitler-Regime hinweggeschaut" habe - und erwähnt mit keiner Silbe, daß das von Fischer geführte Amt über die "Verstrickungen" einiger seiner Mitarbeiter in die ideologischen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges hinwegsieht: Etwa bei Hans Gerhard Schmierer, der bis 1983 Mitglied des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands war und jetzt dem Planungsstab des Amtes angehört.


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