© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

Die Angst vor feindlicher Übernahme
Parteien: Nach ihrem Wahlbündnis mit der DVU arbeitet die NPD an einer Bereinigung des rechten Parteienspektrums
Peter Freitag

Wer ist für die internen Spannungen bei den Republikanern und damit für das drohende Abgleiten in die politische Bedeutungslosigkeit dieser Partei verantwortlich? Jene Funktionäre, "die sich nicht von ihrer früheren NPD-Ideologie gelöst" hätten; diese einseitige Schuldzuweisung stammt nicht etwa vom derzeitigen Parteichef Rolf Schlierer, sondern von seinem langjährig amtierenden Vorgänger Franz Schönhuber. Im Mai 1990 fällte der streitbare Politiker in der linken taz sein Verdikt über die innerparteilichen Widersacher, die damals im Begriff waren, ihn zu entmachten. Kurze Zeit später, auf dem Bundesparteitag in Ruhstorf, faßten die Republikaner (REP) parallel zur Wiederwahl Schönhubers jenen Abgrenzungsbeschluß gegen die Nationaldemokraten, der seitdem immer wieder für neuen Zündstoff sorgt.

Ex-Republikaner Schönhuber hat seine Vorbehalte gegen die NPD nun offenbar beiseite gelegt: Auf einer Veranstaltung des Politischen Arbeitskreises Oberland im vergangenen November stellte der 81jährige im Beisein des sächsischen NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel fest, daß allein die Nationaldemokraten "inzwischen der Kristallisationskern der deutschen Rechten geworden" seien. Zwar trat er nicht in die Partei ein, ließ sich jedoch im Januar öffentlichkeitswirksam als "medien- und europapolitischer Berater" verpflichten.

Die Zielrichtung der NPD, die sich bereits im "Leipziger Appell" von 2003 abzeichnete, heißt weiter: Einheit des nationalen Lagers. Die Bemühungen um eine "rechte Volksfront" sind gewiß nicht neu, sondern vielmehr im Wesen der NPD angelegt. Bereits der Gründung der Partei im November 1964 war ein halbes Jahr zuvor der Wunsch nach Bildung eines Sammelbeckens vorangegangen; Adolf von Thadden, Vorsitzender der Deutschen Reichspartei, wurde beauftragt, eine "Union aller nationaldemokratischen Kräfte" zu begründen.

Und auch sachliche Erwägungen sprechen für Bündnisse oder den Verzicht einzelner Parteien, zu Wahlen anzutreten. Die "Tendenz der Selbstblockade", so der Parteienforscher Ulrich von Alemann, ist einer der Hauptgründe für die Erfolglosigkeit der Rechten.

Wenn die NPD jetzt für "Schulterschlüsse" und gegen "Abgrenzungswahn" (Apfel) zu Felde zieht, so richtet sich ihr Augenmerk vor allem auf zwei Parteien: die Republikaner und die Deutsche Partei (DP). Weil deren Vorstände jedoch in ihrer "Frankfurter Erklärung" (JF 47/04) mit einer Art Gegenbündnis liebäugelt hatten, setzt die NPD jetzt auf eine "feindliche Übernahme" und kündigte an, sie wolle "große Teile" der aktiven Basis beider Parteien übernehmen. Eine solche "Staubsauger-Strategie" könnte durchaus Erfolg haben. So waren bei der erwähnten Veranstaltung des "Politischen Arbeitskreises Oberland" auch Mitglieder von REP und DP anwesend, genauso wie ein vom REP-Stadtrat Pius Weinfurtner organisiertes Neujahrstreffen in München auch DP-Mitglieder und Funktionäre der NPD einte. Allen Abgrenzungsbeschlüssen zum Trotz marschierten am vergangenen Sonntag in Dresden Mitglieder der Republikaner und die DP-Bundesvorstände Ulrich Pätzold und Claudia Wiechmann hinter den neuen "Großen Drei": Voigt (NPD), Frey (DVU) und Schönhuber.

Die Übernahme der Republikaner durch die NPD hält Ursula Winkelsett, stellvertretende REP-Bundesvorsitzende, allerdings für einen "Karnevalsscherz". Sie betont in einer Presseerklärung die Ablehnung ihrer Partei gegenüber jeglicher Zusammenarbeit mit "NPD und Neonazis". Allerdings gab sie im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT zu, daß die Strategie der NPD "nicht nur Wunschdenken, sondern Realität" sei. Es kursierten Gerüchte in der Partei, wonach einzelnen REP-Funktionären von seiten der NPD aussichtsreiche Listenplätze für die Kandidatur zur Bundestagswahl 2006 angeboten worden seien. Andererseits gebe es keine Tendenzen zu Massenübertritten von Republikanern zur NPD; mit Blick auf das "Hamburger Signal" sprach Winkelsett gegenüber der JF von einem Einzelfall. Der ehemalige REP-Landesvorsitzende der Hansestadt Thomas Nissen hatte die Selbstauflösung des Verbandes bekanntgegeben und fungiert jetzt als "unabhängiger Republikaner in der NPD". Der Hamburger Verband sei jedoch schon seit Jahren inaktiv gewesen und habe auch zahlenmäßig seit langem keinerlei Bedeutung mehr gehabt, so Winkelsett.

Schwieriger sieht es da schon in der Deutschen Partei aus. Noch immer ist unklar, ob der Bundesvorsitzende Heiner Kappel tatsächlich entmachtet ist oder nicht. Obwohl das Schiedsgericht der Partei für den Verbleib Kappels im Amt votierte, erkennen dies seine innerparteilichen Gegner nicht an. Daher bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung des OLG Frankfurt ausfällt. Kappel berichtet gegenüber der JF, die NPD sei über einen Mittelsmann an ihn herangetreten und habe ihm den Spitzenplatz ihrer hessischen Landesliste für die Bundestagswahl 2006 angeboten, was er mit dem Hinweis auf inhaltliche Kontroversen zum NPD-Programm abgelehnt habe. Hinter seiner von internen Widersachern - vor allem Pätzold und Wiechmann - betriebenen Entmachtung könnte nun als Reaktion auf seine Ablehnung tatsächlich der von der NPD getragene Wunsch nach einer "rechten Volksfront" stecken oder aber deren Bemühung, die DP als so zerstritten aussehen zu lassen, daß sich die frustrierten Mitglieder der NPD zuwendeten. Kappel betonte jedoch, daß diese Überlegungen bloße Spekulationen seien. In jedem Fall drohe der Partei ein Verlust von Mitgliedern, auch wenn er überzeugt sei, die "Deutsche Partei wird nicht untergehen", sagte Kappel. DP-Pressesprecher Gottfried Burischek, der zur Anti-Kappel-Fronde gehört, bestritt dagegen jegliche Tendenz in Richtung Preisgabe der Eigenständigkeit. Es werde mit dem neuen Vorstand jedoch keine Front gegen das Bündnis NPD/DVU und daher auch keinen Antritt der DP bei der Bundestagswahl geben. Gerüchte, wonach DP-Mitgliedern Listenplätze durch die NPD angeboten worden seien, bezeichnete er gegenüber der JF als "Quatsch".

Die als "Kampf gegen Parteiegoismen" deklarierte Staubsauger-Strategie der NPD könnte zweierlei - erfolgreiche - Szenarien für die NPD bieten. Entweder werden unter dem Druck einer entsprechend Basis die Vorstände von REP und DP ausgewechselt, so daß sich beide Parteien der "Volksfront unter dem Dach der NPD" doch noch anschließen: damit wären jene "volkstreuen" Bürgerlichen besser erreichbar, die von den im Bündnis eingebundenen militanten Nationalisten und "Freien Kameradschaften" abgeschreckt werden. Oder aber die gemäßigt-patriotischen Parteien implodieren unter dem durch die NPD erzeugten Druck: Dann verschwände die für den Weg zum Erfolg lästige Konkurrenz dauerhaft und mit ihr jegliche wählbare Variante rechts der Unionsparteien.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen