© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

Rote Kapitalisten schlagen zu
Ungarn: Der einzigartige Thermalsee bei Hévíz ist durch ein Hotelprojekt bedroht / Deutsche WAZ-Gruppe mauert
Alexander Barti

Hévíz, der kleine Kurort an der Westspitze des Plattensees, ist fest in deutscher Hand. Jahr für Jahr pilgern Hunderttausende in den Ort, um ihre müden Knochen in den vier Hektar großen Thermalsee zu tauchen. Eine natürliche Radioaktivität und spezielle Mikroorganismen, die in Europa einzigartig sind, helfen vor allem bei rheumatischen Beschwerden. Schon die alten Römer schätzten den See, der auch im Winter angenehm warm ist. Umgeben wird die Wasserfläche von Torfschichten. Sie regulieren den Wasserhaushalt und halten das ökologische Gleichgewicht intakt. Im Zuge der touristischen Erschließung, die schon am Ende des 19. Jahrhunderts begann, wurde der See immer weiter zugebaut.

In der realsozialistischen Diktatur gefährdete zusätzlich der Abbau von Bauxit die unterirdischen Quellen. Als das Wasser zu versiegen drohte und seine Temperatur immer weiter abnahm, schloß man das Bergwerk - der See schien fürs erste gerettet. Doch nun ist die Natur erneut bedroht: In das Torfgebiet plant man den Bau eines neuen Fünf-Sterne Hotels. Zwar ist die Baugenehmigung noch nicht erteilt worden, aber angesichts der involvierten politischen Kräfte kann man davon ausgehen, daß das Projekt von der Firma Smaragd-Invest mit kosmetischen Änderungen in Angriff genommen wird.

Die Firma selbst ist durch zahlreiche Beteiligungen im Besitz von Investoren und Politikern, die in den Dunstkreis der Sozialisten gehören. Personell ist Smaragd-Invest auch mit der Balusztrád-Gruppe verquickt, die beispielsweise in Budapest über 230 Wohnungen errichtet. Der größte ausländische Partner von Balusztrád ist die israelische Engel-Gruppe, die in Ostmitteleuropa mehr als 10.000 Immobilien kontrolliert. Darüber hinaus soll die Firma auf der Wise-Liste der Scientology-Unternehmen stehen und angeblich den ungarischen Zweig von Ron Hubbards Narconon-Bewegung sponsern.

Trotz allem bestritt in der Zeitung Magyar Nemzet am 26. Oktober 2004 Balusztrád-Eigentümer und neuerdings Smaragd-Invest-Geschäftsführer László Györi, Scientologe zu sein. In dem Umkreis dieses Firmenkonglomerats tauchte auch der Name des Budapester Bezirksbürgermeisters Sándor Andó auf, dem wiederum Kontakte zu dem Börsenbroker Attila Kulcsár von der K&H-Bank nachgesagt werden, der zur Zeit wegen des größten Betrugsskandals der ungarischen Geschichte in Untersuchungshaft sitzt. Andó fiel inzwischen auch bei seinen Genossen auf, denn sein Ortsverband entwickelte sich in den letzten Jahren so "dynamisch", daß man intern inzwischen von fiktiven Parteimitgliedern spricht, die die Machtbasis von Andó durch eine größere Zahl von Delegierten stärken sollten.

Aus der WAZ-Zentrale kam bisher keine Antwort

Inzwischen sind auch die Bürger von Hévíz hellhörig geworden, und einige Stadträte sehen Gefahr im Verzug. Einer von ihnen ist Gábor Papp, der sich entschieden gegen das Hotelprojekt ausspricht. Das ganze Problem begann nach den Wahlen von 2002, als sich die Zusammensetzung der Stadträte von Hévíz und Keszthely änderte, erzählt er.

2001 gab es noch Pläne, wonach auf einem mehrere Hektar großen Gebiet ein ökologisch verträgliches Nutzungskonzept entstanden wäre. Fahrrad- und Spazierwege, eventuell ergänzt um ein Erlebnisbad, hätten den See attraktiver gemacht und gleichzeitig entlastet. Doch nach den Wahlen verkaufte die Stadt Keszthely fünf Hektar Torffläche, ohne die dieses Konzept nicht mehr sinnvoll ist - offenbar nicht ohne politischen Rückenwind. Noch vor dem Verkauf des Areals im August 2004 hielt sich Imre Szekeres, Staatssekretär und Vize der Sozialisten (MSZP), in Keszthely auf. Dabei muß er auch Gespräche mit dem Bürgermeister der Stadt, József Mohácsi (MSZP), geführt haben. Tags darauf stimmte die von Liberalen und Sozialisten dominierte Stadtführung für den Verkauf der Immobilie bzw. für den Einstieg in ein Konsortium mit der Smaragd-Invest.

Die Beteiligung der Kommune war nötig, um sich für Fördermittel bewerben zu können. Dabei handelt es sich um 930 Millionen Forint (etwa vier Millionen Euro) - eine in Ungarn gewaltige Summe, für deren Verteilung Szekeres indirekt zuständig ist. Doch damit war das Geschäft noch nicht in trockenen Tüchern, denn die zuständige Umweltbehörde beauftragte ein Gutachten bezüglich des Bauvorhabens. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, daß es zu riskant sei, das geplante Projekt in dieser Größe und in unmittelbarer Nähe des Sees auszuführen, die Stadt Hévíz solle daher in Keszthely Einspruch erheben. Als die Empfehlung zur Abstimmung den Hévizer Stadträten vorlag, meldete sich Mohácsi mit der nachdrücklichen Bitte, kein Veto einzulegen. Er begründete das mit den gutnachbarlichen Beziehungen zwischen den beiden Ortschaften, was überraschend von der Mehrheit der Abgeordneten akzeptiert wurde.

Die Hotelgegner rühren derweil die Trommel und versuchen möglichst viele Menschen auch außerhalb der Region wachzurütteln. Dabei sträubt sich ausgerechnet die Regionalzeitung Zalai Hirlap, ausführlich über diesen Öko-Krimi zu berichten. Das Pikante daran: Die ZH gehört zur Essener WAZ-Gruppe. Daher haben die Naturschützer kurzerhand einen Protestbrief an die WAZ-Zentrale geschickt, in dem sie auf diese Parteilichkeit hinweisen und die "Herren Brost, Funke und Glandt" freundlichst einladen, sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Aus Essen kam bisher keine Antwort.

Informationen auf deutsch im Internet unter: www.heviz.hu/nemet/koszonto_frameset.htm 


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