© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/05 18. Februar 2005

Stoffe, aus denen die Träume sind
Eindringlich: In Vadim Perelmans "Haus aus Sand und Nebel" liegt jeder Stein auf dem anderen
Michael Insel

Aus Sand und Nebel baut man Träume, aber keine Häuser, und damit ist die Geschichte eigentlich schon erzählt. Das aus derart untauglichen Materialien errichtete Haus am äußersten Rand Amerikas gehört einer jungen Frau, und dank behördlicher Willkür gerät es bei einer Zwangsversteigerung in den Besitz einer einstmals gutsituierten iranischen Familie, die nach der Revolution von 1979 in die USA fliehen mußte.

Massoud Amir Behrani (Ben Kingsley, der seit "Gandhi" auf "ethnische" Rollen abonniert scheint), ein stolzer und auch ein wenig eitler Mann, verdingt sich tagsüber im Straßenbau und nachts als Tankstellenwärter, um nach außen hin den Anschein von Reichtum wahren zu können, der die Ersparnisse der Familie rapide verschlingt. Kathy Nicolo (Jennifer Connelly) dagegen, eine trockengelegte Alkoholikerin, deren Mann sie just verlassen hat, verdient sich ihren armseligen Lebensunterhalt als Putzfrau.

Doch was heißt schon Besitz, wenn die Begierden des Herzens geweckt sind? Im Streit um den Bungalow am Meer geraten diese beiden anständigen, aber fehlbaren Menschen über die Kluft von Alter, Klasse und Kultur hinweg tragisch aneinander. Der ehemalige Luftwaffenoffizier sieht die Immobilie als Investition, um seinem zwölfjährigen Sohn eine Zukunft zu sichern, seiner Frau Nadi (die iranische Schauspielerin Shohreh Aghdashlou) ist sie ein Zuhause, das ihr Heimweh nach dem Persischen Golf ein wenig lindert.

Für Kathy, die sich nach wie vor für die rechtmäßige Besitzerin hält, bedeutet das vom Vater ererbte Haus die letzte Erinnerung an glücklichere Zeiten. In ihr mißlungenes Leben bringt der Hilfssheriff Lester Burdon (Ron Eldard) seine eigenen Probleme und setzt eine fatale Kette der Ereignisse in Gang.

Obwohl sich seine Handlung auf das Schlagwort vom clash of civilizations bringen ließe, mit dem in den letzten Jahren allzu wüst herumgehauen wurde, hat dieser Film so gar nichts Kulturkämpferisches. Jegliche Polarität zwischen Gut und Böse wird vermieden, beide Seiten sind im Recht und doch nicht unschuldig: Kathys eher läßliche Verfehlung besteht darin, ihre Post nicht zu öffnen, und auch Behranis Sturheit ist nicht unmenschlich, ganz im Gegenteil, während die Mühlen der Bürokratie im Hintergrund kaum zu hören sind.

Selbst das sich geradezu aufdrängende Klischee, die dargestellte Wirklichkeit sei aus den flüchtigen Substanzen des Titels konstruiert, ist eher Persiflage als Analyse. Denn erzählerisch liegt hier ein Stein auf dem anderen, und die Schauspieler überzeugen durchweg mit soliden Leistungen. Andre Dubus III., auf dessen gleichnamigem Roman das Drehbuch beruht, ist auch hierzulande eine größere Leserschaft zu wünschen

Vadim Perelman kam selber als ukrainischer Einwanderer nach Nordamerika. Daß er Fremdheit und Entfremdung aus eigener Erfahrung kennt, ist seinem Regiedebüt in jeder Einstellung anzusehen, auch wenn er es mit den technischen Effekten bisweilen übertreibt: Die unheilschwanger angeleuchteten Nebelschwaden, die dramatische Filmmusik aus der Feder des Komponisten James Horner, der auch die Blockbuster "Titanic" und "Der Sturm" musikalisch unterlegte, passen schlecht zu diesem Kammerspiel der leiseren Töne.

Ähnliches gilt für das Ende, das an überdrehte Thriller aus den 1990ern wie Jonathan Kaplans "Fatale Begierde" oder Mark Pellingtons "Arlington Road" erinnert. Doch sind dies kleinere Mäkeleien an einem Film, der so einfühlsam wie souverän mit heiklen Themen umgeht.


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