© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/05 25. Februar 2005

Keine echte Alternative
Die CDU ist an ihrer knappen Niederlage in Schleswig-Holstein selbst schuld
Fritz Schenk

Drei Schlußfolgerungen drängen sich nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein auf: Erstens, es hat sich auch dort erwiesen, daß ein Drittel der Wahlberechtigten nicht mehr an die Urnen geht. Dennoch war das noch ein gutes Ergebnis, weil die Enthaltung bei den Landtagswahlen der letzten Jahre noch größer gewesen war. Zweitens, auch in Kiel, wo die CDU mehrfach absolute Mehrheiten erringen konnte, kommt sie selbst unter für sie günstigsten landes- wie bundespolitischen Konstellationen nicht einmal mehr in die Nähe solcher Ergebnisse. Und drittens, obwohl die Schleswig-Holsteiner vom Austeilen von Denkzetteln absahen (die NPD unter zwei Prozent blieb), hat das auch FDP und Grünen keinen Vorteil gebracht, sie werden von den Wählern offensichtlich nicht als "Beweger" oder "Antreiber" gegenüber den Volksparteien angesehen.

Verlierer der Wahl sind eindeutig die Sozialdemokraten. Damit aber auch ihr alleiniges Zugpferd Heide Simonis, die bisherige und wohl auch neue Ministerpräsidentin, denn auf sie hatte die SPD alles gesetzt. Heide, Heide auf allen Plakaten, sogar die Unterstützer aus Berlin hielten sich bis auf die letzten Tage vor der Wahl zurück. Sie taten auch gut daran, denn mit der Bundespolitik ist derzeit für Rot-Grün nirgendwo ein Blumentopf zu gewinnen. Fast 4,5 Prozentpunkte hat die SPD verloren, fünf die CDU gewonnen. Gereicht hat das nicht, denn auch die FDP hat um einen Prozentpunkt niedriger als beim letzten Mal abgeschnitten - und daran dürfte die absolute Mehrheit für Schwarz-Gelb gescheitert sein.

Nach kurzem Jubel der CDU und ihres Spitzenkandidaten Harry Carstensen kehrte schnell wieder die harte Realität zurück. Ein Sitz fehlt Schwarz-Gelb zur absoluten Mehrheit. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) hat zwei, ist aber (fast) mit der SPD identisch, und so kann die Verliererin Simonis wohl mit "Duldung" des SSW - oder vielleicht gar eingebunden in eine Koalition - weiterregieren.

Die CDU macht sich zwar Mut, daß sich auch in Kiel ihr Erfolgskurs und gleichzeitig der Abwärtstrend der SPD fortgesetzt haben, viel bedeutet das allerdings nicht. Wichtiger ist vielmehr die grundsätzlich schwache Stellung beider Volksparteien. Und die läßt erkennen, daß beide im Bereich zwischen dreißig und vierzig Prozentpunkten dahindümpeln. FDP und Grüne scheinen es nicht zu schaffen, über die Zehn-Prozent-Hürde hinwegzukommen. Die Wahlforschungsinstitute prognostizieren daher seit geraumer Zeit, daß bei Bundestagswahlen wohl für keine der beiden großen Parteien ein alleiniger Koalitionspartner - Grün für die Roten oder Gelb für die Schwarzen - zur Regierungsbildung ausreichen würde. Dieses Patt der Großen läßt daher zwangsläufig die Version einer Großen Koalition am politischen Horizont aufscheinen.

Nun gibt es nicht wenige Analytiker der deutschen Gesamtsituation, die darin sogar eine Chance sehen. Ohne Zweifel ist die deutsche Misere so groß, daß ihr nur durch eine starke Regierung, die auch von einer starken parlamentarischen Mehrheit getragen würde, beizukommen sein wird. Da aber beginnt die Frage nach den Konzepten. Personale Stärke allein macht ja noch längst nicht auch eine starke, das heißt mutige und reformwillige, Politik aus. Wir kennen Beispiele aus anderen Staaten, Österreich war da lange Zeit ein abschreckendes Beispiel, daß gerade Große Koalitionen erst recht Stillstand, Funktionärskungeleien und Ideenlosigkeit praktiziert haben. Wenn es also so ist wie derzeit in Deutschland, daß die SPD als maßgebliche Regierungspartei von Wahl zu Wahl mehr oder weniger deutliche Schlappen einstecken muß, während andererseits sich die Regierungsverluste nicht entsprechend in Gewinnen der parlamentarischen Opposition niederschlagen, dann muß auch bei der Opposition vieles nicht stimmen.

Auch das haben Wählerbefragungen längst deutlich gemacht. Die CDU vor allem hat ihr klares Unterscheidungsmerkmal gegenüber der SPD verloren. Sie ist zu einer "Auch-Partei" geworden: auch sozial gerecht, auch gegen "Rechts", auch gegen Diskriminierung, auch gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und welche Schlagwort-Schreckgespenster von der political correctness immer wieder aufgebaut werden. Ihr Nachbeten dieser Kampagnenparolen, ihr Einknicken bei den unhaltbaren Anschuldigungen gegen Martin Hohmann oder General Günzel, ihre Aufmarschbeteiligung bei Schröders Demonstration der "Anständigen", ihr Schlingerkurs beim "Antidiskriminierungsgesetz", der Bannmeile um Reichstag und Brandenburger Tor - die Aufzählung ließe sich beliebig lang fortsetzen - haben vor allem ihre einst treuesten, insbesondere älteren, konservativen Wähler verscheucht.

Schwerer noch wiegt die Unentschlossenheit bei der Entwicklung klar erkennbarer Konzepte gegen die verfahrene Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Steuerpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Und nicht zu vergessen, die Sprachlosigkeit der Union in der Außenpolitik, die einen Mann wie Joseph Fischer zur deutschen Nummer eins werden ließ. Will sie aus diesem Tief kommen, muß sie mehr lösen als die ebenfalls offene K-Frage, die jedoch gleichfalls ihre allgemeine Schwäche und Entschlußlosigkeit erkennen läßt.


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