© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/05 25. Februar 2005

Große Koalition gegen Rechts
Grundrechte: Parteien arbeiten fieberhaft an der Einschränkung des Demonstrationsrechtes / Angst vor einem Scheitern vor dem Verfassungsgericht
Georg Pfeiffer

Extremisten und Verfassungsfeinde dürften sich die Augen reiben. Was sie allenfalls für den Tag der eigenen Machtergreifung planten, setzen Politiker etablierter Parteien bereits jetzt in Szene. Koalition und Union wetteifern mit Vorschlägen für die Einschränkung von Grundrechten und die Einführung eines Gesinnungsstraf- und -demonstrationsrechts.

Ende vergangener Woche erörterte der Bundestag in erster Lesung einen Vorschlag der Regierung zur Einschränkung des Versammlungsrechts. Die Union steuerte einen eigenen Gesetzesvorschlag bei. Das Land Rheinland-Pfalz brachte wiederum einen eigenen Entwurf in den Bundesrat ein. Alle Pläne zielen in erster Linie darauf ab, eine bereits angemeldete Demonstration der NPD am 8. Mai unter dem Brandenburger Tor zu verhindern.

Der Regierungsentwurf sieht vor, mittels einer Änderung des Versammlungsgesetzes bestimmte durch Rechtsverordnung zu bestimmende Gedenkorte für Opfer des Nationalsozialismus vor unliebsamen Demonstrationen zu schützen. Die Union bemängelt, daß gerade das Brandenburger Tor keinen besonderen Bezug zu Opfern des Nationalsozialismus habe und damit nicht geschützt sei. Sie schlägt vor, die Bannmeile um den Reichstag so auszuweiten, daß sie auch das Brandenburger Tor und das Holocaust-Mahnmal mit umschließt. Diese Lösung hat nur den "Fehler", daß nach bisheriger Praxis auch in der Bannmeile außerhalb von Sitzungstagen des Parlamentes volle Demonstrationsfreiheit herrscht, denn an diesen Tagen beeinträchtigen Demonstrationen nicht die Parlamentsarbeit.

Die Regierungskoalition wirbt damit, daß ihr Entwurf den Charme habe, nicht nur Objekte in Berlin, sondern in ganz Deutschland unter den "besonderen Schutz gegen Rechts" zu stellen. Koalition und Union versichern sich gegenseitig, den jeweils anderen Vorschlag "wohlwollend zu prüfen". Der rheinland-pfälzische Entwurf versucht die Quadratur des Kreises, indem er "alle Orte von herausragender nationaler und historischer Bedeutung" vom Grundsatz der Versammlungsfreiheit ausnimmt.

Besonders interessant an dieser "supergroßen Koalition gegen Rechts" ist der Umstand, daß jede beteiligte Seite die jeweils anderen Entwürfe für "evident verfassungswidrig"" hält. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des gemeinsamen Unterfangens scheinen nicht um sich zu greifen. Bei einigen Grünen bestehen allenfalls insofern Bedenken, als sich die Einschränkung des Versammlungsrechts irgendwann auch gegen sie selbst wenden könnte.

Trickreich ist die Idee, das materielle Versammlungsrecht über das Strafgesetzbuch zu verändern. Für eine Meinung, deren Äußerung mit Strafe bedroht ist, darf auch nicht demonstriert werden. Demnach braucht man nur das Versammlungsmotto der geplanten Veranstaltung ad hoc unter Strafe zu stellen, um auch die Demonstration verbieten zu können. Genau darauf haben sich jetzt offensichtlich die Vertreter der rot-grünen Regierungskoalition geeinigt. Das Nachdenken konzentriert sich allein darauf, das Verbot "verfassungsfest" zu gestalten, also ein Scheitern in Karlsruhe zu verhindern.

Um bis zum 8. Mai in Kraft tretenzu können, müßte das Gesetz bereits dieser Tage verabschiedet werden. Entsprechende Verhandlungen laufen. Man darf gespannt sein, wie Wolfgang Bosbach (CDU) und Dieter Wiefelspütz (SPD) drei verfassungswidrige Entwürfe zu einem gemeinsamen verbinden.

Auch außerhalb des Hohen Hauses schreitet die Eskalation voran. Der Berliner Christian Ströbele (Grüne) drohte bereits an, notfalls würde die Bevölkerung von Berlin einen "Aufmarsch" am 8. Mai verhindern. Bislang hat sich niemand von diesem Aufruf zur Gewalttätigkeit distanziert.


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