© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/05 25. Februar 2005

Schade um den Stoff
Kino: Geoffrey Sax' Phantastik-Thriller "White Noise"
Claus-M. Wolfschlag

Die Vorstellungen der Menschen von einem Leben nach dem Tod sind so vielgestaltig wie die Religionen. Die Welt der Toten reicht vom schwer bewachten Hades über Walhalla, das Nirwana bis hin zur christlichen Vorstellung von Himmel und Hölle. Was wäre, fragen manche, wenn das Totenreich nur eine irdische Parallelwelt darstellte, in der die Verstorbenen als rastlose Seelen herumzuirren gezwungen wären?

Dies ist der Gedanke von Geisterjägern und Spiritisten. Im 19. Jahrhundert hatte man zur Kontaktaufnahme Séancen veranstaltet und sich um viktorianische Salontische gruppiert. Um 1939 wurde in diesen Kreisen das "Electronic Voice Phenomenon" (EVP) entdeckt. Mit Hilfe bestimmter Ton- und Bildaufzeichnungsgeräte sei es demnach nun möglich, mysteriöse Mitteilungen Verstorbener einzufangen. Diesem seltsamen Elektronik-Mummenschanz, der höchstwahrscheinlich auf Übertragungsstörungen und Sende-Überlagerungen basieren dürfte, widmet sich nun erstmals ein Phantastik-Thriller: "White Noise - Schreie aus dem Jenseits" von Geoffrey Sax.

Der angesehene und erfolgreiche Architekt Jonathan Rivers (Michael Keaton) führt das Leben eines glücklichen Familienvaters, bis seine schwangere Frau Anna (Chandra West) bei einem Verkehrsunfall stirbt. Rivers zieht mit seinem kleinen Sohn Mike (Nicholas Elia) in eine neue Wohnung. Schließlich spricht ihn ein seltsamer Fremder an. Er erzählt Rivers, daß er Kontakt zu dessen verstorbener Ehefrau habe. Rivers will von derartigen Ideen nichts hören. Doch ein halbes Jahr später erhält er Botschaften von Anna aus dem Jenseits auf seinem Mobiltelefon. Daraufhin stattet er dem Fremden, Raymond Price (Ian McNeice), einen Besuch ab, und dieser zeigt ihm in seinem von Bildschirmen und Magnetbändern überquellenden Haus die Welt des "Electronic Voice Phenomenon". Zunehmend besessen von der Idee, mit Toten zu kommunizieren, schafft Rivers sich ebenfalls Bildschirme und Tonbänder an. Sein Tagesablauf orientiert sich immer stärker an seinem neuen Hobby. Und nun erhält er des öfteren Botschaften seiner toten Frau, die ihn scheinbar auf die Spur eines Mörders führen möchte.

Man darf bei derartigen Geschichten - das Drehbuch stammt von Niall Johnson - zu paranormalen Phänomenen nicht allzu sehr auf Schlüssigkeit achten. Immerhin verkörpert Ex-"Batman" Michael Keaton durchaus glaubhaft einen Witwer, der sich zunehmend in seiner Obsession verstrickt und einem langsamen, aber stetigen Verfall ausgesetzt ist. Ihm zur Seite steht die attraktive Sarah Tate (Deborah Kara Unger), die ihren Verlobten verloren hat und ebenfalls Erfahrungen mit EVP vorweisen kann. Und ohne Zweifel spielt "White Noise" mit einer durchaus gruselnden Atmosphäre sowie einigen professionell konzipierten Schreckmomenten.

Das Phänomen EVP wird allerdings nicht ernsthaft behandelt, sondern nur als Aufhänger für einen eher konventionellen Grusel-Plot benutzt. Doch derartiges hatte zum Beispiel Gore Verbinski 2003 mit "The Ring", in dem das Betrachten eines ominösen Videofilms eine Woche später zum Tod führt, weitaus spannender und ohne wissenschaftliche Verbrämung gelöst.

In "White Noise" jedoch gehen die Ungereimtheiten mit einer Figurenführung einher, die kaum Raum für tiefergehende Charakterzeichnungen läßt. So wurden viele Chancen, die der Stoff geboten hätte, verschenkt.

Foto: Jonathan Rivers (Michael Keaton) und Sarah Tate (Deborah Kara Unger): Auf Schlüssigkeit darf man nicht zu sehr achten


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