© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

WIRTSCHAFT
Jedem seine private Inflationsrate
Bernd-Thomas Ramb

Seit der Einführung des Euro ist der Preisanstieg nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in keinem Jahr mehr als zwei und in keinem weniger als ein Prozent gestiegen. Trotzdem haben die meisten Bürger in Deutschland das Gefühl, der Euro sei ein Teuro und die früheren D-Mark-Preise würden jetzt in gleicher Höhe in Euro gefordert. Das Statistische Bundesamt, das die Teuerungsrate anhand eines fest vorgegebenen Warenkorbs berechnet, bietet nun einen speziellen Kalkulationsservice an, der es jedem ermöglicht, den offiziellen Warenkorb nach seinen persönlichen Ausgabegewichtungen zu ändern und so eine individuelle Preissteigerung zu ermitteln - sofern der Bürger Zugang zu den Internetseiten des Statistischen Bundesamtes hat.

Die Idee ist nett, der Informationsgehalt gering. Nur etwa die Hälfte des Warenkorbs kann modifiziert werden, davon am stärksten der Anteil von Lebensmitteln: 18 Prozentpunkte, die auf die Hungerlinie Null heruntergefahren werden können. Nur hat sich das Preisniveau für Nahrungsmittel seit Januar 2000 kaum verändert. Werden die persönlichen Umgewichtungsmöglichkeiten in den Extremen voll ausgenutzt, kann die private Inflationsrate des letzten Jahres minimal auf 0,4 Prozent heruntergerechnet und maximal auf 2,6 hochgetrieben werden. Den Differenzen zur amtlichen Inflationsrate 2004 von 1,6 Prozent sind also Grenzen gesetzt. Die Möglichkeiten der politischen Ausschlachtung sind dagegen enorm. Wer unter der amtlichen Inflation liegt, darf sich glücklich preisen, wer drüber liegt, ist wegen seines extravaganten Konsumverhaltens selber daran schuld. Aber selbst bei 2,6 Prozent - so schlimm ist das doch auch nicht, wird der Polit-Statistiker besänftigend vorflunkern.


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