© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/05 04. März 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Innovation
Karl Heinzen

Das International Football Association Board (FAB), die oberste Instanz zur Fortentwicklung der Spielregeln für das kickende Gewerbe, hat beschlossen, einen von dem Sportausstatter Adidas entwickelten "Chip-Ball" zu testen. Er erkennt, wenn er die Torlinie vollständig überschritten hat und übermittelt ein entsprechendes Signal auf die Armbanduhr des Schiedsrichters. Fehlentscheidungen wie das "Wembley-Tor" von 1966 könnten auf diese Weise in Zukunft ausgeschlossen werden. Erstmals soll das runde Hightech-Leder im Herbst dieses Jahres während der U 17-Weltmeisterschaft in Peru im großen Stil zum Einsatz kommen.

Der Zeitpunkt, diese Innovation auch in Deutschland auf den Weg zu bringen, erscheint ideal. Durch den Wettskandal ist die Reputation der latent antiquiert eingestellten Schiedsrichterzunft erschüttert. Die Öffentlichkeit würde ihrem Einspruch kaum mehr Gewicht einräumen, und so wird ein solcher denn erst gar nicht gewagt. Dies ist umso bedeutender, als mit dem Hightech-Ball ein Weg eingeschlagen sein könnte, der den Mann mit der Pfeife und seine Assistenten an den Seitenlinien langfristig überflüssig macht. So dürfte es ein lösbares Problem sein, daß der Ball auch signalisiert, wenn er ins Tor- oder Seitenaus gerät. Ferner sollte es technisch machbar sein, nicht allein das "Leder", sondern auch die Spieler mit Sensoren auszustatten, die zum Beispiel feststellen, ob sich jemand im Abseits befindet, der Ball mit der Hand gespielt oder ein Foul begangen wurde. Das Schiedsrichtergespann könnte auf diese Weise durch einen objektiven, allen Manipulationen unzugänglichen Computer ersetzt werden, der über den Stadionlautsprecher und die Anzeigetafel in das Spielgeschehen eingreift. Der einzige Nachteil einer derartigen Neuerung wäre allenfalls, daß sportlich erfolglose Vereine wie Hansa Rostock sich nicht mehr damit trösten könnten, ihr Scheitern vor allem Fehlentscheidungen der Unparteiischen zu verdanken. Auf solche Mythen vermag der Fußball aber getrost zu verzichten.

Zu überlegen wäre, ob die Modernisierung dieses Sports vielleicht nicht noch weiter zu treiben ist. Warum sollte bloß auf leibhaftige Schiedsrichter, warum nicht auch auf ebensolche Spieler verzichtet werden? An ihre Stelle könnten animierte Kicker treten, die in einer Computersimulation agieren. Die Mediengewohnheiten der Zuschauer dürften dem immer weniger entgegenstehen. Den Vereinen blieben horrende Spielergehälter erspart. Die Talfahrt in den Ruin des Profifußballs wäre gestoppt.


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