© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

"Ein verwirrter sturer alter Mann"
Medienkampagne: Rolf Hochhuth schämt sich für seine Äußerungen zu David Irving, die er in einem JF-Interview gemacht hatte
Thorsten Thaler

Zwei Wochen nach seinem vielbeachteten Interview in dieser Zeitung (JF 08/05) hat sich der Dramatiker Rolf Hochhuth für seine heftig kritisierten Äußerungen zu dem revisionistischen britischen Historiker David Irving entschuldigt. Mit dem Ausdruck des Bedauerns nahm er seine Aussage zurück, es sei "idiotisch", Irving als Holocaust-Leugner zu bezeichnen. Gegenüber dem ARD-Kulturmagazin "Titel, Thesen, Temperamente" sagte Hochhuth vergangenen Sonntag: "Dieser Satz ist idiotisch - von mir. Das ist nicht zu verantworten gewesen, daß ich das gesagt habe. Ich muß mich für diesen Satz schämen."

Am Dienstag dieser Woche zitierte die FAZ Hochhuth dann mit der Bemerkung, er habe seit mehr als 25 Jahren keinen Kontakt mehr zu Irving. "Ich wollte doch keinen Holocaust-Leugner verteidigen", so Hochhuth, "sondern bin für einen Mann eingetreten, der einmal Verdienste erworben hat und dann auf einen schrecklichen, wohl pathologischen Irrweg geraten ist, den ich nicht erklären kann und gewiß nicht verteidigen will."

Prompt erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, der Hochhuth wegen dessen lobender Worte für Irving als "geistigen Brandstifter" bezeichnet hatte, er akzeptiere die Entschuldigung. "Wenn Hochhuth diese menschliche Größe besitzt, dann werde ich nicht weiter lamentieren. Die Sache ist für mich vom Tisch." Einem Gespräch mit Hochhuth über seine Äußerungen stehe nun nichts mehr im Wege, so Spiegel.

Für die Süddeutsche Zeitung endet damit die "Causa Hochhuth" - gemeint ist offenbar die ursprünglich vom Berliner Tagesspiegel angezettelte Medienkampagne gegen den 73jährigen Schriftsteller - so: "Ein verwirrter sturer alter Mann kehrt nach öffentlichen Reuebekenntnis zurück in den Kreis der Diskursfähigen. Nach einem moralischen Sturz landet Hochhuth unsanft, aber aufrecht."

Praktisch zeitgleich mit Hochhuths Abbitte warfen sich der Schriftsteller Martin Walser sowie der Literaturkritiker und Feuilletonist Fritz J. Raddatz für Hochhuth in die Bresche und verteidigten ihn gegen die Unterstellung Paul Spiegels. Walser, 1998 wegen seiner Rede in der Paulskirche von Spiegels Vorgänger Ignatz Bubis ebenfalls mit dem Brandstifter-Vorwurf konfrontiert, riet seinem Schriftsteller-Kollegen, "Herrn Spiegel in Sachen Hochhuth Nachhilfeunterricht zu erteilen". Dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel sagte Walser, in dem Interview gebe es Sätze, "die Mißverständnisse eigentlich ausschließen sollten". Er kenne Hochhuths Arbeiten und halte ihn "für den geschichtsmächtigsten Autor unserer Generation". Walser: "Da wäre Respekt angebracht."

Tatsächlich hatte Hochhuth in dem JF-Interview unmißverständlich erklärt, es sei eine Schande, "daß wir noch immer nicht anerkennen: Die Weltgeschichte kennt kein mit unserem Holocaust vergleichbares Verbrechen." Außerdem bekannte er sich dazu, ein "absoluter Anhänger der Kollektivschuldthese" zu sein. Deutlicher geht es nicht mehr.

Paul Spiegel habe sich "den falschen Feind ausgespäht", meinte auch Fritz J. Raddatz in der Welt am Sonntag. In dem inkriminierten Interview finde sich nicht einmal ein Halbsatz, so Raddatz zutreffend, der den Vorwurf rechtfertigte, Hochhuth sei "eine Art Schallverstärker der Holocaust-Leugner-Bande".

Foto: Rolf Hochhuth in seiner Berliner Wohnung mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal; Schlagzeilen aus der Beilage "Literarische Welt", "Welt am Sonntag", "Süddeutsche", "FAZ", "Rheinischer Merkur"


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