© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Assad in der Zwickmühle
Naher Osten: Nach dem Mord an Ex-Premier Hariri soll Syrien seine Truppen aus dem Libanon zurückziehen
Alexander Griesbach

Für die iranische Zeitung Jomhuriyi Islami, die pars pro toto für die öffentliche Meinung in dem islamischen Gottesstaat steht, besteht kein Zweifel, wer für den Mord an dem libanesischen Ex-Premier Rafik Hariri zur Verantwortung gezogen werden muß. Am 16. Februar stellte das Blatt fest, daß es nicht wichtig sei, wer in diesem Feuer verbrenne, wichtig sei, daß dieses Feuer in Beirut entzündet worden sei, damit die USA und das "zionistische Regime" ihre Ziele erreichen könnten. Das "Mordkomplott von CIA und Mossad" betreffe die gesamte Region von Bagdad bis Beirut. Daß im Iran jeder politische Mord im Nahen Osten dem Mossad oder der CIA zugeschrieben wird, überrascht nicht. Diesmal allerdings fügt sich im Libanon alles in einer Art und Weise, wie es sich die finstersten Verschwörungstheoretiker nicht besser hätten ausdenken können.

Anfang der letzten Woche trat die libanesische Regierung unter Omar Karami zurück. Zweiwöchige Massendemonstrationen und der Vorwurf, in die Ermordung Hariris verwickelt zu sein, gaben für diesen Schritt wohl den Ausschlag. Oppositionsführer Walid Dschumblatt - Chef der Sozialistischen Fortschrittspartei und einflußreichster Führer der Religionsgemeinschaft der Drusen im Libanon - erklärte zusammen mit 70 führenden Oppositionellen, daß jeder Kompromiß mit dem als syrienfreundlich eingestuften Präsidenten Emile Lahoud vom "Schleifen des Sicherheitsapparates" abhängen werde. Was sich in Beirut ereigne, so unterstrich Dschumblatt gegenüber Demonstranten in Beirut, sei "symbolisch für die einsetzenden Veränderungen in der gesamten arabischen Welt".

Rainer Hermann verweist in der FAZ auf die "Dominotheorie". Im Libanon erhebe sich die "Zedernrevolution" gegen die "Statthalter Syriens und leitet einen Regimewechsel ein". Seinem "Regimewechsel" könne Syrien nur entgehen, wenn es sich zu einem radikalen Politikwechsel entschließe. Die Nachrichtensender trügen den "neuen Wind vom Golf bis an den Atlantik in alle Haushalte Arabiens". Die Wahl im Irak habe den Arabern angeblich gezeigt, daß ein Land selbst unter schwierigsten Bedingungen zur Demokratie fähig sei.

"Mit jedem Tag, den der politische Prozeß den Aufständischen das Wasser weiter abgräbt, vergrößern die Vereinigten Staaten ihren Spielraum (...) Die Regierung Bush fordert, daß Syrien seine Hände vom Libanon, vom Irak und von Palästina nehme, um nicht länger deren Hinwendung zur Demokratie zu unterlaufen."

Dschumblatt - wie auch US-Präsident Bush - reicht die Erklärung des syrischen Präsidenten Bashar Al Assad, er könne seine 15.000 Soldaten schon innerhalb der kommenden Monate aus dem Libanon abziehen, nicht. Wie ernst Assad diese Ankündigung tatsächlich meint, wird sich weisen. Mit Recht verweist Pierre Heumann in der Zürcher Weltwoche (9/05) darauf, daß der Libanon für Syriens Ökonomie lebenswichtig sei. Etwa eine Million Syrer arbeiteten im Libanon, die jährlich eine Milliarde Dollar nach Damaskus transferierten. Ein bedingungsloser Rückzug aus dem Libanon würde Assads Position erheblich schwächen. Ohne den Libanon müßte das Regime in Damaskus bald den "Bankrott" erklären, zeigt sich Heumann überzeugt. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, daß Dschumblatt einen präzisen Zeitplan für den Abzug will. Er wird in dieser Frage von US-Außenministerin Condoleezza Rice und von dem französischen Außenminister Michel Barnier unterstützt. Die Franzosen, die traditionell gute Beziehungen zu Syrien hatten, blieben aus Damaskuser Sicht nicht die einzige Ernüchterung: inzwischen fordern auch Rußland, Ägypten und selbst Saudi-Arabien einen Abzug der syrischen Truppen.

Syrien müsse mit dem Abzug beginnen, war aus Regierungskreisen in Riad zu hören, ansonsten würde es zu Schwierigkeiten im Verhältnis beider Länder kommen. "Sie wissen, was sie tun müssen. Sie sollten sofort abziehen." Die Opposition im Lande macht sich unterdessen bereits Gedanken über eine Übergangsregierung, die bis zu den regulären Wahlen im Mai die Amtsgeschäfte führen soll. Auch soll ein eigener Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gestellt werden. Eine Kandidatin für das Amt des Premiers der Übergangsregierung ist nach Angaben der Neuen Zürcher Zeitung die Parlamentarierin Bahia Hariri, Schwester des ermordeten Rafik Hariri.

Washington und Paris, treibende Kräfte hinter der Uno-Resolution 1559 vom September letzten Jahres, in der das Ende der "syrischen Einmischung im Libanon" gefordert wird, schlugen in einer Stellungnahme für die anstehende Wahl "internationale Mitwirkung" vor. Die Libanesen "müssen die Gelegenheit haben, ihren eigenen Kurs durch freie und faire Parlamentswahlen zu bestimmen, abgepolstert durch die Präsenz internationaler Beobachter vor und während der Wahl". Einzig die radikalislamische Hisbollah will sich nicht so recht in die allgemeine Demokratisierungseuphorie einpassen. Sie warnte vor der Hoffnung, daß die derzeitigen Unruhen im Libanon und ein möglicher Abzug der syrischen Truppen zu einem Frieden mit Israel führen könnten. Wie der Iran ist die Hisbollah davon überzeugt, daß Israel für das Attentat auf Hariri verantwortlich ist.

Ein hochrangiger Hisbollah-Vertreter wird in der in der Jerusalem Post mit den Worten zitiert: "Die einzige Partei, die vom Tode Hariris profitiert, ist Israel (...) Sehen Sie sich den Nahen Osten jetzt an: Syrien ist wieder einmal ein Ausgestoßener und wird von der internationalen Gemeinschaft dazu gedrängt, den Libanon zu verlassen. Wie kann man da behaupten, Syrien profitiere vom Tode Hariris? Das ist Unsinn!"

Das Weiße Haus will dessenungeachtet (laut den Internetseiten von www.israelnetz.com ) "sichere Beweise" dafür haben, daß die für den Tod Hariris verantwortlichen Terroristen aus Syrien stammten. Dies teilte der Pressesprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, mit. Was das für Beweise sind und warum sie "sicher" sein sollen, darüber ließ McClellan freilich nichts verlauten. Welches Ergebnis die USA von der dreiköpfigen UN-Untersuchungskommission erwarten, die zur Untersuchung des Mordes von Hariri unter Leitung des Iren Peter Fitzgerald zusammengestellt worden ist, bedarf vor diesem Hintergrund keiner großen Phantasie mehr.

Foto: Präsident Assad mit saudischem Kronprinz Abdullah Bin Abdel Aziz: "Sie sollten sofort abziehen"


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