© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Der Lachs kehrte zurück
Tschechei: Natur- und Umweltschutz hat nur einen geringen Stellenwert / Verzögerung bei EU-Rechtsangleichung
Martin Schmidt

Der Schutz der Umwelt war im einstigen "Ostblock" kein Thema - weder für die kommunistischen Führungen noch für die Mehrheit der Bevölkerung. Erst in den achtziger Jahren bildete sich etwa in Estland eine ökologische Protestbewegung, die das Ende der Sowjetherrschaft beschleunigte und nicht unwesentlich an der "Singenden Revolution" mitwirkte.

Ein Paradebeispiel für unterentwickeltes Umweltbewußtsein liefert die Tschechei - nicht nur wegen des Streits um das Kernkraftwerk Temelín. So verweigerte das Prager Parlament - nur wenige Monate vor dem EU-Beitritt 2004 - die Zustimmung zu umfassenden Reformen. 130 Änderungen sollten die nationalen Gesetze mit dem EU-weiten System "Natura 2000" in Einklang bringen und so Biotope unter Schutz stellen und staatliche Entschädigungen für solche Agrarbetriebe gewährleisten, die auf umweltschonende Methoden umstellen.

Erst Ende Februar 2005 wurde auf Druck von Brüssel ein Gesetz zur Unterstützung der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen verabschiedet. Es sieht vor, daß die Einspeisungspreise für einen Zeitraum von 15 Jahren festgeschrieben werden, womit Investitionen in den Bau von Biomasse-, Wasser-, Solar- und Windkraftanlagen abgesichert werden. Bislang wurden die Preise vom Brünner Energieregulierungsamt alljährlich neu festgelegt. Das Gesetz soll dazu beitragen, die von der EU geforderte Quote von alternativer Energiegewinnung zu erfüllen: Demnach müssen bis zum Jahr 2010 mindestens acht Prozent der Gesamtproduktion an Energie aus Wasser, Wind und Biomasse gewonnen werden.

Während Deutschland bereits heute einen Anteil von 12,5 Prozent erreicht hat, sind es in Böhmen und Mähren unter drei Prozent. Die Brüsseler Vorgaben will Prag nun vor allem mittels der Verbrennung von Biomasse erfüllen.

Wo kein vergleichbarer Druck von außen geübt wird, sieht die tschechische Ökobilanz schlechter aus. Bei Meinungsumfragen taucht der Bereich Ökologie nicht einmal unter den zwölf wichtigsten Themen auf.

"Nach dem Jahre 1989 hat die Umweltpolitik oder das Konzept der nachhaltigen Entwicklung hierzulande für zwei Jahre eine bedeutende Rolle gespielt und zwar von 1990 bis 1992. Dann ist diese Thematik untergegangen, zum einen in den Schwierigkeiten des Transformationsprozesses, zum anderen, weil die Regierungen der Bürgerdemokraten (ODS) bzw. später die der Sozialdemokraten (CSSD) andere Themen als vorrangig betrachteten. Letztere betrieben eine Politik der zentralistischen Unterstützung solcher Produktionszweige, die sich nicht besonders günstig auf die Umwelt auswirken", konstatiert der Vizechef des Zentrums für Umweltfragen an der Prager Karlsuniversität, Ivan Rynda.

Die lange Jahre regierende ODS des jetzigen Präsidenten Václav Klaus sah und sieht die Lösung aller Probleme in einer ungehemmten freien Marktwirtschaft ohne staatliche Regulierungen.

Problematische Staustufen bedrohen Ökosystem der Elbe

Der anhaltende Streit um die Elb-Staustufen bei Aussig (Ústí nad Labem) zeigt die Konsequenzen solcher Grundhaltungen auf. Nach 1989 gab die politische Wende dank des Baus zahlreicher Kläranlagen zunächst auch für die Naturschützer Anlaß zur Hoffnung. Die Wasserqualität verbesserte sich deutlich, sogar der als Indikator für sauberes Wasser geltende Lachs kehrte zurück.

Doch bald schon drohten dem Fluß neue Gefahren, denn die EU-Erweiterung verleiht dem Strom eine steigende Bedeutung als Schiffahrtsstraße. Bei einer Gesamtlänge von 1.144 Kilometern fließt die Elbe über fast 400 Kilometer durch tschechisches Gebiet. Aber erst ab der Stadt Melnik, wo die Moldau einmündet, ist sie auf böhmischem Gebiet auf rund 107 Kilometern schiffbar.

Das reicht immerhin, um Prag und das hochindustrialisierte Nordböhmen auf dem Wasserweg mit Sachsen und via Hamburg mit den Weltmärkten zu verbinden - jedenfalls zeitweise: Ein Großteil des Jahres ist der Wasserpegel für den Warentransport zu niedrig. Besonders problematisch ist in dieser Hinsicht der malerische Flußlauf zwischen Aussig und Herrnskretschen (Hrensko) an der böhmisch-sächsischen Grenze. Und genau in den dortigen Naturschutzgebieten ist seit etwa einem Jahrzehnt der Bau von Staustufen geplant.

Naturschützer befürchten eine Zubetonierung der Flußlandschaft im Böhmischen Mittelgebirge und entlang des Elbsandsteingebirges und erinnern an die Jahrhundertflut 2002. Vertreter der tschechischen Lastschiffahrt und der Bauindustrie hoffen hingegen auf einen Zuwachs des Warenverkehrs von derzeit jährlich etwa 1,3 Millionen Tonnen auf bis zu vier Millionen Tonnen. Die Entscheidung über das Vorhaben dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen, wobei vieles darauf hindeutet, daß sich Prag erneut als Umweltsünder erweist und die Warnung des Senators Vladimír Schovánek von der linksliberalen Regierungspartei US-DEU ihre Wirkung verfehlt: "Ich kann nicht zufrieden sein, wenn aus unseren Flußläufen sozusagen Kanäle für Oberflächenwasser werden, wenn man die Ufer begradigt und der Charakter unserer Flüsse sich letztlich völlig ändert."


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