© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/05 11. März 2005

Meldungen

Vom Soldatenlied zum Mythos: Lili Marleen

MÜNCHEN. Als während des Bundeswehr-Einsatzes auf dem Balkan auch der "Lili-Marleen-Mythos" wieder zu neuem Leben erwachte, gab es "politische Bedenken". Aber anders als im Falle der Direktive in Sachen Werner Mölders blieb damals "die Truppe eisern", und der Soldatensender Radio Andernach strahlte jeden Abend in der Tradition des Wehrmachtsenders Belgrad um 21.56 Uhr das von Lale Andersen gesungene "Lied eines jungen Wachtpostens" aus. Auch deshalb, weil zum Mythos dieses Schlagers nicht allein die Wehr- machttradition zählte, "sondern auch die völkerverbindende Wirkung, die ambivalente Stimmung der letzten beiden Strophen und die Schwierigkeiten Lale Andersens im NS-Staat". Darum gelte das Lied bis heute als Bezugssystem, mit dessen Hilfe die eigene Haltung zur NS-Zeit, zum Zweiten Weltkrieg, zu "Krieg und Geschlechterverhältnissen überhaupt kommuniziert" werden könne, wie Katja Protte in einer Studie zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Schlagers darlegt, die aber leider nicht die versprochene Aufklärung über die Mentalitätsstrukturen liefert, die zu seinem internationalen Erfolg beitrugen (Militärgeschicht- liche Zeitschrift, 2/2004).

 

Stabile soziale Basis des Kriegseinsatzes

OXFORD. Zu den besten militärhistorischen Zeitschriften zählt die seit 1994 vierteljährlich erscheinende War in History, die Hew Strachan (Oxford) und Dennis E. Showalter (Colorado) herausgeben. Der neue Jahrgang (1/2005) demonstriert wieder, worin der Vorzug dieses Periodikums liegt: in der Gleichgültigkeit gegenüber politisch-pädagogischen Kategorisierungen der Zeitgeschichte, wie sie hierzulande den Historikeralltag prägen. So stellt sich Alex Watson in einer Studie über deutsche Kriegsfreiwillige des Ersten Weltkriegs gegen den Trend, das "Augusterlebnis" in eine "Legende" zu verwandeln und davon nur die Begeisterung einer "chauvinistisch" disponierten Studentenelite übrigzulassen. Watson weist anhand der Musterrollen nach, daß die Kriegsfreiwilligen sich aus einem breiten sozialen Spektrum rekrutierten, das auch die Arbeiterschaft umfaßt. Arbeiter und Angestellte hätten sich nicht nur im August 1914 in großer Anzahl gemeldet. Der Zustrom aus diesen sozialen Milieus habe sogar bis Kriegsende angehalten. Nicht zuletzt deshalb, weil der Einsatzwille nicht vom kurzlebigen Enthusiasmus, sondern von manifestem Pflichtgefühl und tiefsitzender Überzeugung getragen wurde, das Vaterland zu verteidigen.

 

Wann geht das Abendland unter?

KÖLN. Der Wiener Politologe Michael Thöndl meint, daß der 1936 verstorbene Verfasser von "Der Untergang des Abendlandes" auch dem 21. Jahrhundert noch etwas zu sagen hat: an der "Brisanz seiner Geschichtsphilosophie" bestehe kein Zweifel (Archiv für Kulturgeschichte, 2/2004). Bei Oswald Spengler gelte es zu unterscheiden zwischen Kultur und Zivilisation. Deswegen sei bei ihm von zwei Untergängen die Rede. Der erste, der der abendländischen Kultur, habe sich im 19. Jahrhundert definitiv vollzogen. Aber aus der Konkursmasse überlebte ein "vorzivilisatorisches Verhaltensprogramm", das "im Stadium der Zivilisation große politische Herausforderungen bewältigen kann". Spenglers Chiffren dafür sind "Preußentum" und angelsächsisches "Wikingertum". Im 20. Jahrhundert prallten preußisch organisierte Weltwirtschaft und angelsächsisch-liberale Weltausbeutung aufeinander, und der "Wikingergeist" der USA habe gesiegt. Doch lasse sich aus Spenglers Modell auch deren Untergang ableiten: Der 11. September 2001 künde das Heraufkommen der "farbigen Weltrevolution" an, womit sich der Untergang der abendländischen "Zivilisation" vollziehe.


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