© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/05 18. März 2005

PRO&CONTRA
Eine "City"-Maut erheben?
Volker Kempf / Holger Wenzel

In der Verkehrspolitik ist nicht alles logisch, sondern vieles interessengeleitet. So fliegen Verkehrsflugzeuge kerosinsteuerbefreit durch die Luft, und die internationale Klimapolitik rechnet im Rahmen des Kyoto-Protokolls nicht deren Abgase mit. Auf der Erdoberfläche indessen wird eine Kraftfahrzeugsteuer erhoben, die einer Grundsteuer entspricht und die auch der zahlen muß, der sein Auto kaum bewegt. Kurzstrecken werden damit um so eher zurückgelegt, während die Städte unter dem hohen Verkehrsaufkommen leiden. Eine City-Maut soll es richten, mehren sich daher die Stimmen. Die Umsetzung dieser Idee würde zwar nichts an den genannten verkehrspolitischen Widersprüchen ändern, aber doch etwas das Ver­kehrsaufkommen in den Städten minimieren helfen. Deshalb wird die City-Maut mit Recht ernsthaft diskutiert.

In London nahm das Kraftfahrzeugaufkommen nach der Einführung einer City-Maut um 20 Prozent ab, der öffentliche Personennahverkehr um 14 Prozent zu. Das bedeutet mehr saubere Luft, mehr Gesundheit, mehr Ruhe und mehr Wohnqualität. Denn so, wie unsere Städte heute sind, zieht es die Menschen immer mehr hinaus ins Grüne, so daß die Pendlerbewegungen zurück zu den Arbeitsplätzen in den Städte zunimmt. Autofahrer wissen auch, daß die Verkehrslawine ein ernsthaftes Problem darstellt; sie sind bereit, sich mit einer City-Maut zu arrangieren: Nur 22 Prozent lehnen laut einer Umfrage des Auto Club Europa aus dem Jahre 2003 eine City-Maut ab, während sich 60 Prozent vorstellen können, in ihr eine akzeptable Methode zur Lösung von Verkehrsproblemen zu sehen - der Rest gab sich noch unentschieden. Für Politiker sind das Zahlen, mit denen sie auch mittels City-Maut etwas entschlossener Politik für verkehrsberuhigende Maßnahmen wagen können, ohne befürchten zu müssen, dafür von den Wählern gleich abgestraft zu werden.

 

Volker Kempf ist Vorsitzender der Herbert-Gruhl-Gesellschaft e.V. ( Internet: www.herbert-gruhl.de )

 

 

Hinsichtlich der aktuellen Diskussion um die Einführung einer City-Maut warnt der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) eindringlich vor den negativen Folgen für den Handel und die Innenstädte. Eine City-Maut würde das Ladensterben in den Innenstädten dramatisch beschleunigen.

Bereits heute stehen fast zehn Prozent der Ladenlokale in den Stadtzentren leer. Der HDE setzt sich nachdrücklich für eine Stärkung der Städte ein. Ihre Attraktivität ergibt sich aus ihrer vielfältigen Nutzung zum Wohnen, Arbeiten und Einkaufen sowie für Kultur und Freizeit. Florierende Geschäfte sind unverzichtbarer Bestandteil einer lebendigen Innenstadt.

Eine City-Maut würde den Lebensnerv des Handels und damit der Innenstädte treffen. Sie würde den Trend zu anderen Standorten außerhalb der Städte verstärken, die schon heute besser mit dem Auto zu erreichen sind und zudem über ausreichenden und kostenlosen Parkraum verfügen. Die Folge wäre nicht weniger, sondern mehr Verkehr und Emissionen. Eine umweltpolitische Mogelpackung.

Fahrverbote und City-Maut sind keine geeigneten Maßnahmen, die Lebensqualität in den Innenstädten zu verbessern. Notwendig sind vielmehr ein attraktiverer öffentlicher Personennahverkehr mit Fahrplänen, die den Öffnungszeiten der Geschäfte angepaßt sind, eine bessere Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger, intelligente Verkehrs- und Parkleitsysteme sowie schärfere Abgasvorschriften und Partikelfilter.

Daß die Mauteinnahmen zur Senkung der Ticketpreise von Bussen und Bahnen genutzt werden, kann angesichts chronisch leerer Stadtsäckel kein Mensch glauben.

Ein Verzicht auf eine City-Maut ist letztlich im vitalen Interesse der Städte und Gemeinden. Sonst heißt es später: Operation gelungen, Patient tot.

 

Holger Wenzel ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes des Deutschen Einzelhandels (Internet:  www.einzelhandel.de ).


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen