© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/05 18. März 2005

"Entscheidung im April"
Uwe Scheuch, Generalsekretär der FPÖ, über den Eklat von Klagenfurt, die drohende Spaltung der FPÖ und die mögliche Rückkehr Jörg Haiders
Jörg Fischer / Moritz Schwarz

Herr Scheuch, am Montag vergangener Woche kam es auf der Klausurtagung des Parteivorstandes in Klagenfurt zum Eklat in der FPÖ (JF 11/05). Mittlerweile haben sowohl Jörg Haider als auch einer seiner prominentesten Kritiker in der Partei, Heinz-Christian Strache, angedroht, die FPÖ zu verlassen. Stehen die Freiheitlichen vor dem Auseinanderbrechen?

Scheuch: Nein, aber es ist in der Tat nötig, eine innerparteiliche Klärung der Verhältnisse herbeizuführen. Nachdem wir uns jahrelange bemüht haben, den Kurs der FPÖ so festzulegen, daß ihn jeder Bürger versteht, ist es an der Zeit, diese Linie auch innerhalb der Partei deutlich zu machen.

Sie spielen auf den Konflikt mit den "Schmißpeppis" - wie Sie sie genannt haben - an, jenem rechten Flügel der Partei um Heinz-Christian Strache, Ewald Stadler und Andreas Mölzer, die auf der Klausurtagung in Klagenfurt aus Protest freiwillig von ihren Ämtern zurückgetreten sind.

Scheuch: Es ist wichtig, daß in der Partei wieder ein positives Klima entsteht, denn ohne das kann die FPÖ dem Bürger kein Vertrauen einflößen. In unserer medialen Welt läßt sich eine schlechte Stimmungslage nicht verstecken, also muß das Problem behoben werden.

Wo sehen Sie das Problem konkret?

Scheuch: Wir müssen aufhören, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Es kann nicht angehen, daß gewisse Leute es für seriös halten, immer nur zu opponieren. Jeder muß lernen, daß es notwendig ist, auch konstruktives Verhalten zu zeigen.

Sie deuten das Beharren des rechten Flügels auf seinen weltanschaulichen Prinzipien als "destruktiv". Was Sie wiederum "konstruktiv" nennen, deuten die Rechten als Ausverkauf der traditionellen Werte der FPÖ.

Scheuch: Jörg Haider hat da deutliche Worte gefunden: Die FPÖ kann kein "ideologischer Museumsverein" sein, sondern muß eine "positiv gestaltende Kraft", eine "verläßliche Zukunftsbewegung für Österreich" sein. Trotz alledem hat es die FPÖ immer geschafft, eine große Meinungsvielfalt zu "beherbergen", und wird dies auch in Zukunft schaffen.

Sie halten also den Vorwurf des Ausverkaufs der weltanschaulichen Substanz der FPÖ für gegenstandslos?

Scheuch: Wir müssen uns nun einmal in erster Linie an den Themen der Zeit orientieren. Das heißt aber nicht, daß wir die Grundwerte der FPÖ selbstverständlich nicht auch weiterhin repräsentieren.

Jörg Haider droht inzwischen verdeckt, Parteichefin Ursula Haubner offen dem FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer mit einem Parteiausschlußverfahren, weil er als Schriftleiter der freiheitlichen Wochenzeitung "Zur Zeit" der Parteiführung vorgeworfen hat, die Augen vor ihrem politischen Scheitern zu verschließen.

Scheuch: Andreas Mölzer sollte in Zeiten wie diesen lieber Parteisitzungen besuchen, um am Gedankenaustausch teilzunehmen, als uns permanent über die Medien seine Meinung mitzuteilen! Denn wenn man bei den Sitzungen der Parteigremien nur sehr selten anwesend ist, sich also einem umfassenden Informationstransfer verschließt und der Parteiführung seine Tips und Anregungen am liebsten über die Öffentlichkeit ausrichtet, so ist dies genau der Grund für die momentan schwierige Situation der FPÖ.

Tatsächlich aber geht es mit der FPÖ seit der Beteiligung an der Regierung in Wien nach dem großen Wahlsieg von 1999 kontinuierlich bergab: Bis auf Kärnten haben sie alle Wahlen verloren. Seit 2003 sind sie nur noch der "kleine" Koalitionspartner. Viele ihrer einstigen Wähler sind zur SPÖ zurückgekehrt, oder bei der Europawahl zur Liste HPM des EU-bürokratiekritischen ehemaligen Sozialdemokraten Hans-Peter Martin gewechselt, oder sie sind in die Wahlenthaltung geflüchtet. Die jüngste Schlappe haben sie am Sonntag letzter Woche, einen Tag vor der Klausurtagung in Klagenfurt, bei den Kommunalwahlen in Niederösterreich einstecken müssen.

Scheuch: Es war dem Bürger eben nicht zuzumuten, daß er ständig mit den inneren Querelen der FPÖ belästigt wurde. Der Wähler möchte wissen, woran er ist. Es ist deshalb nötig, die Kräfte, die für Fundamentalopposition und die, die für konstruktive Regierungsbeteiligung sind, klar zu definieren.

Jörg Haider hat davon gesprochen, die Zeit sei reif "für eine neue FPÖ". Was ist damit konkret gemeint?

Scheuch: Wir werden auf dem Parteitag im April die Klärung suchen. Wir gehen dorthin mit dem Ziel, eine klare Mehrheit zu bekommen - ich meine damit nicht nur sechzig Prozent, sondern eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Was, wenn Sie diese Mehrheit verfehlen?

Scheuch: Ich erwarte auf dem Parteitag von jeder Gruppe den Anstand, das Ergebnis zu akzeptieren, auch wenn es eine Niederlage ist. Falls wir uns nicht klar durchsetzen, werden wir die entsprechenden Konsequenzen ziehen und die FPÖ wohl oder übel denen überlassen, die kein Interesse an politischen Fortschritten haben, und statt dessen eine neue Bewegung starten.

Nehmen Sie an, die Rechten um Strache, Stadler und Mölzer werden im Falle einer Niederlage diese klaglos hinnehmen?

Scheuch: Ich halte es für falsch, die Diskussion immer über die Nennung einzelner Funktionäre zu führen. Ein Strache, Stadler oder Mölzer sollte ebensowenig überbewertet werden wie etwa ein Uwe Scheuch. Die drei von Ihnen Genannten kommen zweifellos aus dem rechten Flügel - aber es ist falsch, zu behaupten, sie repräsentierten ihn auch. Sicher haben sie innerhalb des Flügels ihre Anhänger, aber ebenso fühlen sich viele Rechte genauso durch die "gemäßigteren" FPÖ-Führungskräfte um Frau Haubner repräsentiert. Wenn Sie unbedingt von "Repräsentanten des rechten Flügels" sprechen wollen, dann bitte von "selbsternannten Repräsentanten".

Bei einer Parteineugründung würden der Alt-FPÖ alle Vermögenswerte der Partei zufallen.

Scheuch: Das beunruhigt uns am allerwenigsten, denn die Dynamik eines Neustarts wird einer "neuen FPÖ" auch die Mittel einbringen, die notwendig sind, um diesen materiell zu bestreiten.

Welche Rolle wird Jörg Haider für eine wie auch immer geartete "neue FPÖ" spielen?

Scheuch: Der FPÖ ist es bis 1999 gelungen, die Wähler erfolgreich anzusprechen und zweitstärkste Kraft in Österreich zu werden. Daran müssen wir wieder anschließen. Jörg Haider hat mit seinem Kurs in Kärnten bis heute Erfolg. Das muß uns ein Vorbild sein.

Der egozentrische Politikstil Jörg Haiders hat allerdings auch viel Kritik hervorgerufen. Fügt er sich denn überhaupt noch verläßlich in die Partei ein?

Scheuch: Jörg Haider ist die Person, die die FPÖ von einer Drei-Prozent-Partei zur zweitstärksten Kraft und Regierungspartei gemacht hat. Das gibt ihm ein zentrale Stellung. Haider ist kein Fremdkörper, sondern eingebunden in die Partei, und niemand möchte ihn künftig missen.

Wäre es nicht das Beste, das "einfache Parteimitglied aus Kärnten" würde ehrlicherweise wieder Parteivorsitzender werden?

Scheuch: Wir alle würden uns das wünschen, aber Jörg Haider hat in Kärnten eine verantwortungsvolle Aufgabe. Wir müssen seinen Wunsch, seine Kräfte vor allem in den Dienst für Kärnten zu stellen, respektieren. Das ist allerdings auch für die Partei wichtig, denn solange Kärnten ein Erfolgsmodell bleibt, gibt es immer einen überzeugenden Beweis dafür, daß der Weg der FPÖ der richtige ist. Ich gehe aber davon aus, daß Jörg Haider früher oder später wieder eine führende Position auch in der Bundespartei übernehmen wird.

Für welche Inhalte wird die "neue FPÖ" stehen?

Scheuch: Ganz zentral ist die Arbeitsmarktpolitik, sozial ausgewogen für die kleinen Leute, aber auch fördernd für den Mittelstand. Besonderes Augenmerk muß dabei der Jugendbeschäftigung gelten. Die FPÖ muß außerdem garantieren, daß das kleine Österreich angesichts des EU-Zentralismus nicht immer mehr an Selbständigkeit einbüßt und seine Neutralität verliert.

Was ist inhaltlich das "Alte", von dem Sie sich trennen möchten?

Scheuch: Für die endgültige Beantwortung dieser Frage bitte ich Sie noch bis April um Geduld. Das endgültige Konzept wird natürlich erst auf dem Parteitag in allen Einzelheiten klar sein. Ich glaube aber, wichtiger als diese weltanschaulichen Fragen ist das Bekenntnis zur Entschlossenheit, in Österreich auch mitregieren zu wollen, ohne wieder über die eigenen Beine zu fallen.

Die FPÖ betont immer wieder einen marktliberalen Kurs. Soll die Entwicklung in Richtung der bundesdeutschen FDP gehen?

Scheuch: Das hat die FPÖ-Abspaltung Liberales Forum 1993 bekanntlich ohne Erfolg versucht. Nein, da gibt es schon noch einen grundlegenden Unterschied. Wir wollen nicht der liberale Flügel der ÖVP werden. Es wird auch in Zukunft einen kantigen Unterschied zur Volkspartei geben. Die FPÖ muß das Kärntner Modell übernehmen, das heißt konstruktiv und geschlossen Regierungsarbeit machen.

Mit welcher bestehenden Partei würden Sie die "neue FPÖ" sonst vergleichen, mit der CSU in Bayern oder der Alleanza Nationale in Italien?

Scheuch: Italien ist ein gutes Beispiel, denken Sie daran, daß aus den Trümmern des alten Parteiensystems in Italien die Forza Italia entstanden ist, die ein breites Spektrum repräsentiert. Auch der Vergleich mit der CSU ist nicht verkehrt. Wichtig ist, sowohl die Wirtschaftskompetenz als auch die soziale Kompetenz überzeugend zu repräsentieren.

Die schwarz-blaue Regierungsmehrheit in Wiener Nationalrat ist sehr knapp. Wenn es im April zu einer Spaltung der FPÖ kommen sollte, könnte dann nicht die Regierungsmehrheit in Gefahr geraten?

Scheuch: Nein, weil mindestens 15 unserer 18 Fraktionsmitglieder klar auf der Seite der konstruktiven Kräfte stehen.

Besteht nicht die Gefahr, daß bei einer Spaltung bei den nächsten Wahlen beide FPÖ-Formationen an der in Österreich geltenden Vier-Prozent-Hürde scheitern?

Scheuch: Das glaube ich nicht, mit Jörg Haider werden wir auf jeden Fall die notwendige Stimmenzahl bekommen.

Sie wollen dritte Kraft sein, doch derzeit sind das die Grünen.

Scheuch: Das hat eher mit der derzeitigen Schwäche der FPÖ zu tun, sobald wir uns konsolidiert haben, wird sich das ändern.

Die FPÖ hat bereits einen Teil ihrer Führungskräfte verloren, so ist etwa die ehemalige Vize-Kanzlerin Susanne Riess-Passer nicht mehr mit dabei, Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist inzwischen parteilos.

Scheuch: Es hat Zerwürfnisse gegeben, ja. Aber das steht einer Zusammenarbeit in der Zukunft unter der Prämisse der Konstruktivität keineswegs im Wege.

Sind Sie auch offen für Blau-Rot als Alternative zu Schwarz-Blau oder gar Schwarz-Grün?

Scheuch: Denken Sie an Kärnten, wo Jörg Haider die Regierung anführt, dort gibt es bereits eine blau-rote Koalition, die einwandfrei funktioniert. Warum nicht auch in Wien?

Die FPÖ hat ihre Wähler vor allem aus der Klientel der SPÖ gewonnen, also der Klientel der kleinen Leute, sowie Stimmen aus dem Reservoir der Protestwähler. Wie wollen Sie den kleinen Leute und den Protestwählern mit Ihrem neuen, vor allem auf Mitarbeit angelegten Konzept der "Konstruktivität", das eine gewisse Anpassung voraussetzt, noch gerecht werden? Wie wollen Sie da noch auf die Wahlergebnisse von früher kommen?

Scheuch: Wir müssen uns von der Verhaftung in der Vergangenheit lösen - sowohl inhaltlich als auch in bezug auf Wahlergebnisse. Die FPÖ konnte in den Neunzigern in der Opposition herausragende Erfolge feiern und hat sich den Eintritt in die Regierung nicht nur hart erarbeitet, sondern auch lange überlegt. Wir müssen jetzt den Blick nach vorne richten und mit einer beherzten, bürgernahen Politik die Bevölkerung wieder von unserer Politik überzeugen. Mit einer Bündelung der konstruktiven Kräfte und einer sinnvollen Schwerpunktsetzung rund um die großen Themen Arbeit und Jugend wird uns dies gemeinsam gelingen!

In Dänemark betreibt die Dänische Volkspartei eine sehr erfolgreiche restriktive Einwanderungspolitik. Dagegen sind in Österreich unter Schwarz-Blau die Einwanderungs- und Einbürgerungszahlen angestiegen.

Scheuch: Das stimmt nicht, diese Zahlen sind unter unserer Regierung gesunken. Wir haben heuer dreißig Prozent weniger Asylsuchende. Was Sie aus den Statistiken als Steigerung herauslesen, ist nichts weiter als der gesetzlich garantierte Zuzug von Menschen, die im Rahmen der Familienzusammenführung als Angehörige nachgeholt werden. Aber ich kann versprechen, daß wir uns auf diesem Feld künftig noch klarer positionieren werden. Derzeit haben wir ein Asyl-und Einwanderungsgesetz in der Begutachtung, das das strengste in ganz Europa sein wird.

 

Uwe Scheuch ist Generalsekretär der Freiheit-lichen Partei Österreichs (FPÖ), Abgeordneter des Nationalrates in Wien und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Kärnten. Der Land- und Forstwirt wurde 1969 in Villach/Kärnten geboren.

 

weitere Interview-Partner der JF


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen