© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/05 18. März 2005

Fast wie zu DDR-Zeiten
Subventionspolitik: Mit bürokratischen Mikrodarlehen soll Existenzgründern die Anschubfinanzierung erleichtert werden
Steffen Königer

Im November vergangenen Jahres zauberte der Arbeitsminister von Meck-lenburg-Vorpommern, Helmut Holter (PDS), ein Kaninchen aus dem Hut. Mikrodarlehen von bis zu 10.000 Euro sollten Existenzgründern die Anschubfinanzierung erleichtern.

Es könne nicht sein, empörte sich der Minister damals, daß eine Neugründung nur an ein paar hundert Euro scheitere. Wichtig sei, daß tragfähige Unternehmenskonzepte und eine fachliche Stellungnahme der zuständigen Industrie- und Handelskammer bzw. Handwerkskammer beigefügt würden. Man wolle natürlich, so der PDS-Mann im November, "daß das Geld für Unternehmen ausgegeben wird, die wirklich eine Chance haben und langfristig auch weitere Arbeitsplätze schaffen". Die Reaktionen in den Zeitungen waren gleichlautend. "Kleine Darlehen mit großem Ziel", fiel der Ostseezeitung ein, die "europaweite Einmaligkeit" wurde betont. Die Region hat es auch bitter nötig: Das Bundesland hat mit 25,4 Prozent die meisten Arbeitslosen und der östlichste Landkreis Uecker-Randow (80.000 Einwohner, Kreisstadt Pasewalk) neben der höchsten Abwanderungsquote das niedrigste Pro-Kopf-Einkommen bundesweit. Also sind "Ich-AGs" und alle Unternehmer gefragt, die etwas bewegen wollen, und so könnten die jährlichen 14 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Landeshaushalt helfen - auch in Form von Mikrodarlehen.

Auf den ersten Blick sind die Bedingungen für die Kredite gründerfreundlich: Bankübliche Sicherheiten werden nicht verlangt, die Laufzeit kann bis zu fünf Jahre betragen, wovon bis zu ein Jahr tilgungsfrei bleiben kann. Rückzahlungen sind jederzeit möglich, Vorfälligkeitsentschädigungen fallen dafür nicht an. Der Zinssatz bleibt fest über die gesamte Laufzeit bei günstigen fünf Prozent, und das Mikrodarlehen wird auch gezahlt, wenn bereits andere Förderungen, beispielsweise von der Arbeitsagentur, zugesagt worden sind.

Doch wie sieht es nach hundert Tagen aus? Die Gesellschaft für Struktur- und Arbeitsmarktentwicklung (GSA) gab bekannt, daß bis zum 7. März gerade mal 300 Anträge auf Förderung eingegangen sind, 87 davon positiv, 50 negativ beschieden wurden. Durch die langwierige Überprüfung wolle man vermeiden, daß sich konkurrierende Unternehmen bilden, die auf Dauer beide nicht überlebensfähig seien, so Pressesprecher Helfried Liebsch gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Im Schnitt vier Wochen brauche die GSA für einen Antrag, teilte die Industrie- und Handelskammer Rostock mit. Die Ablehnungen beträfen vor allem Anträge aus Branchen, die von der Förderung ausgeschlossen seien, so Anwälte, Ärzte, Wirtschaftsprüfer, mobile Imbisse, Einzelhändler und Baufirmen.

So gibt es kaum Existenzgründer, die gefördert werden. Holt sich ein Gründer Rat von der GSA, wird ihm wohl oder übel vorgeschrieben, welcher zu gründende Betrieb Aussicht auf erfolgreiche Förderung hat - fast wie zu DDR-Zeiten.


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