© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/05 18. März 2005

"Mysterium Weib": Auf den Spuren femininer Wesenszüge
Oliver allein zu Haus
Ellen Kositza

Ein gedanklicher Ansatz fehlt weitgehend bei den emsigen Begründungsversuchen des europaweiten Geburtenmangels: Im Zeitalter der vollendeten Geschlechterdemokratie, des männlichen "Metrosexuellen" (mit David Beckham und dessen manikürten Händen und Strähnchenblondhaar als Vorbild) einerseits und der Frau am Konferenztisch andererseits läßt die erotische Spannung zwischen den Geschlechtern - korrekt: genders, da Männlein und Weiblein nicht biologische, sondern soziologische Größen seien - nach. Jüngst sorgte ein Ergebnis des Global Sex Survey 2004 für Schlagzeilen vor allem der Boulevard-Medien, wonach sich die Zahl der "Sex-Abstinenzler" in jüngerer Zeit drastisch erhöht habe.

Kosmische Urqualität mit kurzen Beinen

Sorgt etwa der Androgynitäts-Trend, den selbst die Techniker-Krankenkasse in ihrer Broschüre "Lustvoll arbeiten" beiden Geschlechtern als "beste Voraussetzung für Erfolg und Gesundheit" empfiehlt, mit für eine um sich greifende Zeugungsunlust? Ein Spezialist für Geschlechterfragen war bekanntlich Nietzsche, der forderte, "rechtwinklig an Leib und Seele" müsse der Mann sich erst vollendet haben, der berechtigt sei, Leben zu zeugen: "Des Mannes ist hier wenig, darum vermännlichen sich ihre Weiber." Nietzsche gilt als geistiger Ziehvater des italienischen Kulturphilo-sophen Julius Evola, und in dessen Geist wiederum verfaßte der Schriftsteller Oliver Ritter seine Thesen zur "Magischen Männlichkeit", die unter diesem Titel 2000 im Dresdner Zeitenwende-Verlag erschienen. Von der Warte eines "geistig-solaren" Mannestums argumentierend wurde darin dem Getriebe der An-drogynitätsmaschinerie und der degenerierten Männlichkeit unserer Zeit der Kampf angesagt. Ritter brachte hier streitbare, doch immerhin höchst lesenswerte Thesen. Nun ist mit "Mysterium Weib" das erwartete Pendant zum erfolgreichen Vorgänger erschienen. Es ist zunächst erholsam, daß über den "kleinen Unterschied" einmal nicht via trivialer Versatzstücke vom Schlage "Warum Frauen nicht einparken können" verhandelt wird. Oh nein: Oliver Ritter nimmt sein Thema ernst, sehr ernst. Ritter sieht "unsere Gesellschaft" auf dem Weg zum farblosen und langweiligen Einheitsmenschen und hegt dennoch Hoffnung auf eine neue weibliche Selbstbesinnung, darauf, daß Mann wie Weib sich ihrer eigentlich polaren Funktionen ("kosmische Urqualität") besinnen. Doch was kennzeichnet die Wesenzüge der Frau? Sie lasse sich als "Mutter" etymologisch auf Moder und Matsch zurückführen, bescheidet Ritter, telefoniere gern und unmäßig, schminke sich stundenlang, verzichte ungern auf ihren Pelzmantel und sei "nach jeder Menstruation wieder sauber". "Der natürliche weibliche Körper ist rund, kurvig, mit breitem Becken, kurzen Beinen und schweren hängenden Brüsten", im Idealfall "verrät der bleiche, etwas schwammige Teint, womöglich noch etwas verhangene Augen und träge, gleitende Bewegungen unmittelbar den lunaren Einfluß". Staunend liest die Rezensentin, solcherart zum traurigen, geschlechtslosen Zwitterwesen geworden, weiter: Nicht etwa, daß der weibliche Körper, der doch laut Ritter grundsätzlich "den Zug einer satten Schwere" trägt, zum Austragen und Gebären geschaffen wäre: weit gefehlt, bescheidet Ritter und verweist auf den globalen Geburtenüberschuß als ökologisches Problem.

"Frau" soll sich beim Töpfern als Gefäß erfahren

Insgesamt scheint es, als scheute Ritter die Auseinandersetzung mit neuerer feministischer Literatur - die es doch eigentlich zu entkräften gilt! Abgesehen von "Frauen meditieren anders" (2003) weist das durchaus opulente Literaturverzeichnis weitgehend Betrachtungen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit auf, einer Zeit, in der - einer Beobachtung des Autors folgend - die Frauen noch schöne hohe Stimmen hatten.

Insgesamt also wenig Anlaß zur Hoffnung im Zeitalter der flachen Formen. Hier rät der Autor zur Selbsthilfe: bereits der barfüßige Gang könne bei der notwendigen Erdung helfen, weiterhin der Bauchtanz, Töpfern (hier "kann frau sich selbst als Gefäß erfahren") vermag ein übriges zu leisten, und letztlich mögen sich die Ausdrucksformen des Femininen in einem ausdrucksstarken Zeichen bündeln. "Nach allem, was wir jetzt über das Weibliche wissen", beschließt der Autor sein Buch in der ihm eigenen kategorischen Art, "kann die Wahl dieses Zeichens nicht schwerfallen. Es kann nur ein einziges geben: das (Kopf-)Tuch. (...) Westliche Frauen können die Brücke zu ihren islamischen Mitschwestern schlagen, die bereits mutig für ihre Weiblichkeit eintreten."

Oliver Ritter: Mysterium Weib. Verlag Zeitenwende, Dresden 2004, 204 Seiten, 14 Euro


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