© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/05 25. März 2005

Nur bittere Medizin hilft
Eiertänzelnde Trippelschritte: Der überschätzte "Job-Gipfel" beim Kanzler
Bernd-Thomas Ramb

Der spektakulär angekündigte "Job-Gipfel" hat, die skeptischen Bürger wenig überraschend, kaum Hoffnungszeichen gesetzt. Zu Recht klassifiziert der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber die besprochenen Reformansätze als Maßnahmen "kleiner und mittlerer Größenordnung", die nicht ausreichen, einen Stimmungsumschwung zugunsten der Schaffung von Arbeitsplätzen auszulösen. Der negative Kommentar des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt bestätigt dies: Es wurde kein überzeugendes Gesamtkonzept für die notwendigen Strukturreformen vorgelegt, die eine nachhaltige Verbesserung am Arbeitsmarkt voraussetzen. Bezeichnend ist auch die eher zustimmende Reaktion der Gewerkschaften. Daß dagegen der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Michael Thumann, mit den Ergebnissen des Job-Gipfels zufrieden ist, läßt sich nur als "Mitnahmeeffekt" erklären.

Die unternehmerfreundlichen Kröten, die der sozialdemokratische Kanzler als Vertreter einer von den Gewerkschaften dominierten Partei zu schlucken sich bereit erklärt, sind allerdings schon überraschend. Die Ankündigung einer Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 19 Prozent paßt eher in das konservative Wirtschaftsreforminstrumentarium, mit dem weiland Ronald Reagan und Margaret Thatcher die Angebotsseite der Wirtschaft stärkten.

Sozialdemokratisches Credo war bislang, mittels Staatsgeschenken die Kaufkraft der Konsumenten erhöhen und die Nachfrage ankurbeln zu müssen. Die brachiale Richtungsänderung vermittelt daher den ersten Eindruck: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, das wäre auf der fundamentalen Reformweisheit der rot-grünen Regierung gewachsen.

Die Wirkungen, die eine Senkung der Körperschaftssteuer auf den Arbeitsmarkt entfaltet, sind zudem mit großen Fragezeichen versehen. Erst nach einiger Zeit werden die Kapitalgesellschaften, vorwiegend große Unternehmen, weniger Steuern zahlen müssen. Sofern sie überhaupt Steuern zahlen müssen, denn verändert wird der Steuersatz, die Gewinne steigen dadurch nicht zwangsläufig. Doch selbst wenn dann etwas höhere Gewinne nach Steuern vorliegen - deren Verwendung bleibt offen, vor allem hinsichtlich der Einstellung weiterer Beschäftigter. Dagegen war in jüngster Zeit häufiger festzustellen, daß hohe Gewinne sogar weiteren Stellenabbau nach sich ziehen. Die Senkung von Unternehmenssteuern kann zwar den Standort Deutschland attraktiver machen, mit der Schaffung von Arbeitsplätzen hat das aber nur sehr indirekt etwas zu tun.

Gleiches gilt für die geplante Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer und die abgestufte Erbschaftssteuerbefreiung bei innerfamiliären Firmenübertragungen: angenehm und erfreulich für die kleinen und mittelständischen Betriebe, die nach wie vor zu einer aussterbenden Unternehmensgattung gehören, dabei aber als Hauptarbeitsgeber - vor allem in Deutschland - zählen. Das führt in vielen Fällen nur zu einer Verlängerung des Todeskampfes, aber kaum zu einer Ausweitung der Beschäftigung.

Daß der Regierung ohnedies eine echte Steuererleichterung kaum zuzutrauen ist, stellt sie selbst schon mit der sofort entbrannten Diskussion um die "Gegenfinanzierung" unter Beweis, die möglichst aus dem Unternehmensbereich erfolgen solle. Im Erleichterungszweifelsfalle werden die Unternehmen aber als letztes an langbindende Neubeschäftigungen denken.

Der Hauptknackpunkt bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wurde von den Job-Gipfelstürmern schlicht ausgeklammert (daher rührt wohl auch die Zustimmung der Gewerkschaftsseite zu den fadenscheinigen Ergebnissen): Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Abbau von beschäftigungshemmenden Vorschriften und Gesetzen sowie und vor allem Senkung der Lohnkosten, insbesondere der Lohnnebenkosten. Die einen beschimpfen dies als Liberalisierung - oder um die Verachtung zu steigern: Neoliberalisierung - des Arbeitsmarktes, die zu ausbeuterischen Zuständen wie angeblich im 19. Jahrhundert führt. Wirtschaftshistorisch besser bewanderte und ökonomisch Gebildete wie der Bundespräsident preisen diesen Schritt dagegen als notwendige Befreiung des Arbeitsmarktes, ohne die das Problem der Massenarbeitslosigkeit einfach nicht lösbar ist.

Eine bittere Medizin, nicht nur für arbeitslose wie beschäftigte Bürger, sondern auch für die politischen Führer von Massenparteien, die nach absoluter Stimmenmehrheiten strebend unpopuläre Maßnahmen ebenso scheuen wie den mühsamen Prozeß der geduldigen Volksaufklärung.

Der "Job-Gipfel" mußte enttäuschen, weil Deutschlands Reformprobleme nicht über die oberflächliche und mit Scheuklappen eingegrenzte Betrachtung der Spitze des Eisberges zu erfassen sind. Die Probleme sind strukturell flächendeckend und daher nur systematisch überzeugend zu lösen. An der Verfolgung eines überzeugenden Systems mangelt es nach wie vor. So fehlt weiterhin das Vertrauen in eine konstante und konsequente, weil prinzipientreue Wirtschaftspolitik. Da wirken auch richtige Teilansätze nicht mehr, denn wer so urplötzlich Steuern senken kann, dem sind genauso urplötzliche Steuererhöhungen zuzutrauen.


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