© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

Zeitschriftenkritik: Morgenland
Alle werden erlöst
Jochen Schmitt

Von der Öffentlichkeit kaum beachtet, erscheint seit 1969 die kleinformatige Zeitschrift Morgenland. Das Heft kommt sechsmal jährlich heraus und ist auf den ersten Blick als bibeltreu-christliche Publikation einzuordnen, denn es finden sich darin Auslegungen der Heiligen Schrift, erbauliche Betrachtungen und Gedichte sowie Hinweise auf Bibelstunden des Herausgebers.

Dem Leser fällt sofort eine nationale Grundhaltung auf, die bei keiner der üblichen evangelikalen Publikationen so zu finden ist: Oft werden Fotos von Soldatenfriedhöfen oder Kriegerdenkmälern veröffentlicht, die mit Bibelzitaten wie "Niemand hat eine größere Liebe als die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde (Joh. 15, 13)" versehen sind. Zudem werden nicht selten Bücher politischen oder historischen Inhalts rezensiert, etwa "Stalins Vernichtungskrieg" von Joachim Hoffmann oder Bücher zum 11. September, in denen versucht wird, eine Verschwörung nachzuweisen. Diese Haltung ist jedoch in gewisser Weise theologisch begründet, denn in Morgenland wird eine eigene Variante der sogenannten British-Israel-Lehre vertreten. Danach sind die Völker Europas und die Nordamerikaner die Nachkommen der verschollenen Stämme des Nordreichs Israel. Im heiligen Land blieben nämlich nur die beiden Stämme des Südreichs, Benjamin und Juda. Die Stämme des Nordreichs seien von Mesopotamien auf verschiedenen Wegen nach Europa, nach England und schließlich nach Amerika gelangt. Durch diverse Bücher und Kleinschriften versuchen die Anhänger dieser Lehre ihre Thesen zu begründen. So deuteten die Begriffe "Jütland", "Dänemark", "Donau" bzw. "Danubia" oder auch der Fluß "Don" an, daß die verlorenen Stämme, wie Dan, sich dort während der Völkerwanderung niederließen oder durchzogen.

Obwohl in Morgenland eine Art nationalreligiöser Protestantismus vertreten wird und man sich stets bemüht, die Heilige Schrift wortlautgetreu auszulegen, gibt es einige Friktionen, die den Leser überraschen: So wird die Apokatastasis propagiert, was sonst niemand im evangelikalen Spektrum tut. Nach dieser Theorie ist Gott so barmherzig, daß er am letzten Tag alle ohne Ausnahme erlöst, so daß die Hölle überflüssig ist, denn "Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel, weil wir so lieb sind", wie es ein Faschingslied ausdrückt. Vermutlich als Folge der Allversöhnungslehre, die eher typisch für eine progressistische Theologie ist und praktisch eine religiöse Gleichgültigkeit zur Folge hat, konnte die Zeitschrift bisher keine missionarische Kraft entfalten. Erst seit jüngster Zeit vertreibt der Verlag auch Faltblätter, in denen die spezifischen Lehren von Morgenland erläutert werden.

Das Heft ist sicher interessant, wenn auch das theologische Konzept Unstimmigkeiten aufweist. Ob die British-Israel-Lehre nun tatsächlich zutrifft, spielt für Christen eigentlich keine Rolle, weil es im neuen und ewigen Bund kein auserwähltes Volk gibt. Jeder einzelne ist nämlich berufen, die Wahrheit zu suchen und Christus zu finden.

Anschrift: Morgenland-Verlag, Schwester-Pia-Weg 6, 88682 Salem. Das Heft ist gegen eine Spende erhältlich.


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