© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/05 01. April 2005

Demographische Katastrophe im Einwanderungsland
Überraschend klar spricht das Organ der CSU-nahen Hanns Seidel Stiftung die Fehlentscheidungen der Bevölkerungspolitik der letzten Jahrzehnte an
Oliver Busch

Bayern erlebte die demographische Katastrophe weniger heftig als der Rest der Republik. Mit dieser frohen Botschaft warten Demographen und Landesplaner im jüngsten Themenheft der Politischen Studien auf, dem Organ der Hanns Seidel Stiftung (Nr. 399/2005). Trotzdem wird anhand vieler bunter Statistiken und Schaubilder deutlich, daß der demographische Wandel kein Planspiel weltfremder Experten mehr ist.

Einwanderung findet primär in die Sozialsysteme statt

Einleitend faßt CSU-Innenminister Günther Beckstein, in Bayern auch zuständig für Regionalplanung und -entwicklung, noch einmal die Eckdaten der demographischen Malaise zusammen. Da Bevölkerungspolitik bis heute in der veröffentlichten Meinung nie den Geruch des "Faschismus" verloren hat, ist die aktuelle Misere von Geburtenschwund und Überalterung auch eine höchst konkrete Folge einer verirrten "Vergangenheitspolitik". Deren weitere ideologische Konsequenz, die multikulturellen Träume vom zu beschleunigenden Aussterben des "Tätervolkes", bestimmte die Zuwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte und wird nun von Beckstein und dem sich auch in diesem Hefte wieder einmal zu Wort meldenden Demographen Herwig Birg als ökonomisches Desaster beklagt.

Was nämlich auch von der Regierung Kohl lange forciert wurde, sei, so Beckstein, keine Zuwanderung in die Produktion gewesen, sondern eine in die Sozialsysteme. Von 7,4 Millionen Ausländern in der Bundesrepublik waren 2004 nur 1,9 Millionen beschäftigt. 1972 hatte diese Proportion noch wesentlich günstiger ausgesehen: 3 zu 1,8 Millionen. Kein Wunder, wenn Birg angesichts solcher Fehlentwicklungen mit wahrlich erschreckenden Zahlen aufwarten kann. In Stuttgart etwa liege der Ausländeranteil bei fast 25 Prozent, der Anteil der Ausländer unter den Sozialempfängern betrage hingegen knapp vierzig Prozent. Insgesamt, so das übereinstimmende Urteil aller wissenschaftlich abgesicherten Prognosen, die in diesem Heft veröffentlicht werden, verschärfe das Zusammentreffen von negativen ökonomischen Zuwanderungsfolgen und heimischem Geburtenschwund die soziale Separation und die Herausbildung von Parallelgesellschaften.

Demographischen Abschwung "sozialverträglich abfedern"

Eine Fortsetzung der rot-grünen Desperadopolitik in Sachen "Migration" - auch nach Ausschaltung des "Kiewer Modells" -, der zufolge eigene Bevölkerungsverluste durch "Einwanderer" auszugleichen seien, dürfe es nach Becksteins Ansicht nicht geben. Frankreich, wo dieser Tage Le Monde überraschend offen über neue krasse Fälle ausländischer Jugendkriminalität berichtet, und Großbritannien böten in dieser Hinsicht wenig nachahmenswerte Beispiele.

Beckstein plädiert darum dafür, die Probleme "aus eigener Kraft" zu lösen. Unklar bleibt jedoch, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Denn die Zahl "potentieller Eltern" ist nach Birgs Berechnungen bereits soweit gesunken, daß steigende Geburtenzahlen in den nächsten beiden Generationen nicht zu erwarten sind. Demographisch sei in Deutschland schon lange "das Kind in den Brunnen gefallen". Dauerhaft läßt sich daher auch das schrumpfende Wirtschaftspotential mit einer jährlichen Schwächung von einem Prozent nicht auffangen. Selbst bezogen auf die vergleichsweise günstigen Entwicklungen in Bayern läßt sich die von Beckstein favorisierte "aktive Familienpolitik" nach skandinavischem Vorbild wohl nur als "Prinzip Hoffnung" begreifen.

Daher dürfte es auch für den Freistaat, wenn auch später als im übrigen Bundesgebiet, bestenfalls darauf hinauslaufen, einen prinzipiell unaufhaltsamen Prozeß "sozialverträglich" abzufedern. Also setzen Becksteins Planer heute schon auf eher altfränkisches Krisenmanagement, wozu der Finanzausgleich zwischen den relativen Zuwanderungsgewinnern, den Städten, und den sich entvölkernden Provinz etwa in Unter- und Oberfranken gehört. Dazu zählt vor allem die komplette, "altengerechte" Umstellung der kommunalen Daseinsvorsorge, ein Umbau der gesamten sozialen und kulturellen Infrastruktur, von den Schulen bis zur Wohnungsbaupolitik. 2030 dürfte dann auch das bayerische Altersheim bezugsfertig sein.

Konsequenz des Geburteneinbruchs ab 1970: Steigende Geburtenzahlen sind in den nächsten beiden Generationen nicht zu erwarten


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen