© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/05 08. April 2005

Sehnsucht nach Gottes Wort
Friede und Freude: Mit seiner ganzen Person sprach Johannes Paul II. von der Wahrheit in Christus
Eberhard Straub

Der christliche Glaube läßt sich lapidar in dem Satz zusammenfassen: Jesus ist der Christus, der Retter, Erlöser und Befreier, weil er die Wahrheit ist und zum Leben verhilft, zum Leben in und aus der Wahrheit.

Blaise Pascal, den großen Mathematiker und Wissenschaftler, überstürzte in der Nacht des 23. November 1654 diese Erkenntnis. Ihn überwältigte der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Der Philosoph und Gelehrte erkannte die Nichtigkeit des Gottes der Philosophen und Gelehrten und der Selbsterlösung durch die eigene Vernunft.

"Gewißheit, Gewißheit, Empfindung. Freude, Friede. Gott Jesu Christi .... Vergessen der Welt und aller Dinge, ausgenommen Gott. Er wird nur auf den Wegen gefunden, die im Evangelium gelehrt sind". Das schrieb sich der ehemalige Skeptiker auf unter dem Eindruck des Wunders, das in ihn als himmlisches Feuer einbrach und ihn zum bekennenden Christen machte.

Der Glaube ist ein Geschenk, das den Verstand übersteigt. Die Aufgabe der Kirche ist es, unter allen Menschen, nicht nur unter den Christen, die frohe Botschaft, daß Jesus der Christus ist, immer wieder mitten im Leben zu bezeugen, damit das Wort Gottes belebend und befreiend in der Welt wirksam bleiben kann und die Menschen aufhören, sich in der Unberechenbarkeit der Zeiten zu fürchten.

"Fürchtet Euch nicht", rief Papst Johannes Paul II. allen zu - denn alle Menschen sind Christus anvertraut -, als er zum ersten Mal sich vom Petersdom aus seiner Stadt Rom und dem Erdkreis zuwandte. Furcht kannte er nicht, und die Kraft, die von ihm ausging, war gerade die Macht, die aus der Freude und Gewißheit des Glaubens kommt. Eines Glaubens, der auf offenbaren Geheimnissen beruht und das Geheimnis hütet, das Wort geworden ist und sich deshalb nicht mit Worten fassen läßt, weil das fleischgewordene Wort alle Worte übersteigt. Repräsentierte sein Vorgänger Paul VI. zuletzt nur noch die leidende Kirche in einer sich von Gott abkehrenden Welt, überwältigte Johannes Paul mit seiner gläubigen Gewißheit und Freude die Gemüter.

Mit seiner ganzen Person sprach er als Begeisterter von der Mensch und Person gewordenen Wahrheit in Christus und begeisterte mit seinem gläubigen Enthusiasmus auch solche, die fern oder am Rande der Kirche stehen. In einer Kirche, die von der Verkündigung lebt, ist es das größte Verdienst, wenn dem obersten Priester, Bischof und Hirten der Seelen aufmerksam zugehört wird und seine Botschaft nicht unbemerkt verhallt.

Das Entscheidende seines Wirkens war der Glaube an Christus und sein Vertrauen auf die anziehende Kraft dieses Glaubens. So war er ein spiritueller Papst, unablässig bemüht, die Bereitschaft zum Glauben wachzuhalten oder zu erwecken. Sein Ansehen bestätigte, daß es durchaus eine Sehnsucht nach dem Wort Gottes gibt und daß dieses heute genauso plötzlich Freude und Frieden zu spenden vermag, wie es einst am 23. November 1654 Blaise Pascal widerfuhr.

Leichtfertig wurde er sofort als Medienpapst charakterisiert, worin der Verdacht der Manipulation mitschwang. Die Kirche hat sich zu allen Zeiten der Kommunikationsmittel bedient, die zur Verfügung standen, um Menschen zu erreichen. Der Buchdruck und der Holzschnitt waren zu ihrer Zeit neue Massenmedien, wie später der Rundfunk oder das Fernsehen. Egon Friedell befürchtete einst den Untergang des Abendlandes, weil das Radio es ermögliche, die Sonntagspredigt zu hören und zugleich Skat zu spielen, und zu Sauerkraut Papstreden genossen würden. Der Untergang des Abendlandes und der Kirche ist bislang noch nicht eingetreten. Das Fernsehen hat das Wort Gottes mitten in die Trivialität des Alltags hineingezogen, mit einem Papst, der unmittelbar ins Wohnzimmer vordrang. Der Papst nutzte die Chancen, die ihm die Medienwelt bot.

Andacht vermag sich auch im Sportstadion einzustellen

Er konnte sich an die Devise der großen Heiligen Teresa von Avila halten, daß einem Gott überall begegnen kann, auch am Herd, wenn man gerade Spiegeleier brät. Gerade diese Gewißheit wollte er doch jedem verschaffen, daß Gott sich nicht verbirgt, sondern wie es Christus verheißen hat, immer da ist bis zum Ende der Tage. Daß die Medien ihn zuweilen wie einen Superstar behandelten, ist nicht unbedingt dem Papst anzulasten. Wer in Fußballstadien mit dem Papst gemeinsam die Messe feierte, handelte aus religiösem Eifer, in Anhänglichkeit an die Kirche und Christus, aber gab keinem Starkult nach.

Was sich in der religiösen Seele abspielt, entzieht sich den Medien, das verhüllt sich im Geheimnis des Glaubens, selbst wenn die Gläubigen von der Kamera dabei beobachtet werden. Der Vorbehalt, ob Stadien oder andere Großräume Andachtsräume sein könnten, widerlegten die Betenden. Die Liturgie kann jeden Raum im Sinne der Heiligen Teresa zum Andachtsraum machen, wenn die in ihm Versammelten andächtig sind. Diese Wirkung ist viel wichtiger als all die vom Glauben her gesehen oftmals sekundären Belange, die in der kirchlichen Verwaltung ebenso überschätzt werden wie in der weltlichen.

Der Glaube ist das Bekenntnis zum Jesus als dem Christus. Diesen Glauben der Welt zu verkündigen, ist die Sendung der Kirche und ihres Papstes. Mit seiner Energie des Glaubens und seinem Eifer, andere mitzureißen, hat er der Kirche eine Vitalität zurückgegeben, Zuversicht auch unter Kirchenfernen geweckt, was dem Glauben zu neuer Intensität verhalf. Der stets zuversichtliche Johannes Paul ließ sich nicht darin beirren, daß der Glaube lebt und eine Zukunft hat. Er hat seiner Kirche Mut gemacht und allen denen, die manchmal den Mut verlieren. Die Erinnerung an diesen Papst wird der Kirche auch weiterhin Mut machen.

 

Dr. Eberhard Straub, Jahrgang 1940, ist Historiker, Publizist und Buchautor.

Foto: Papst Johannes Paul II. 1999 bei einer Messe im slowenischen Maribor: Was sich in der religiösen Seele abspielt, entzieht sich den Medien


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