© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/05 08. April 2005

Nachwuchs in der Offensive
SPD: Zwei linke Jung-Funktionäre tragen den "Kampf gegen Rechts" in die Partei
Holger Wartz

Muß man sich um die deutsche Sozialdemokratie sorgen? Droht ihr ein "Rechtsruck", oder - noch dramatischer - hat dieser etwa bereits stattgefunden? Längst scheint es, als hätte sich die Kampagne des "Kampfes gegen Rechts" gegen ihre Initiatoren aus der SPD gewendet. Immer öfter werden "Rechte" innerhalb des eigenen politischen Lagers ausgemacht und mit Kampagnen überzogen, die denen gegen Unionspolitiker durchaus nicht unähnlich sind.

Mit einem ganzen Katalog, genannt "Prinzipien und Orientierungspunkte", sollen jetzt die Funktions- und Mandatsträger der Partei domestiziert werden. Initiatoren dieser 24 Punkte umfassenden Richtlinie sind unter anderem der ehemalige Juso-Chef Niels Annen, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus des SPD-Parteivorstandes, und der Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus der SPD-Bundestagsfraktion (JF 12/05). Die beiden Politiker, die bislang noch eher zur B-Prominenz der Sozialdemokratie zählen, forderten bereits im Januar in einer gemeinsamen Erklärung, Rechtsextremismus zu einem "innenpolitischen Schwerpunktthema" zu machen.

Der aktuelle Forderungskatalog an die eigene Parteielite ist durchaus beachtlich. Er steht unter dem Motto "Die Wölfe im Schafspelz enttarnen" (siehe Dokumentation auf dieser Seite). Es geht nicht um die Bekämpfung von offensichtlichen Neonazis, sondern - getreu der Antifa-Logik vom "Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft" - um die Bekämpfung bürgerlicher politischer Positionen. Und wenn unter dem Punkt "Bekämpfen statt verschweigen" die Rede von einer "breiten gesellschaftlichen Offensive" ist, die "Roß und Reiter beim Namen nennen" solle, dann darf man darunter durchaus eine Aufforderung zur Diffamierung und Denunziation verstehen.

Punkt 7 fordert quasi ein Kontaktverbot zu denjenigen, die Annen und Edathy als "Rechtsextremisten" ausmachen. "Wer mit Rechtsextremisten über Sachthemen diskutiert, läuft Gefahr, ihrer Strategie auf den Leim zu gehen." Mit Rechten diskutiere man nur, damit sie "entlarvt" werden, so die Verfasser des Papiers.

Mit einem Maulkorb-Paragraphen soll den eigenen Funktionsträgern verboten werden, mit nichtgenehmen Medien zu sprechen: "Es darf auch keinerlei Beiträge oder Interviews für extrem rechte Zeitschriften geben." Ausdrücklich erwähnt wird in diesem Zusammenhang die JUNGE FREIHEIT, die in jüngster Zeit mit mehreren prominenten Sozialdemokraten Interviews führte.

Doch der Maulkorb gilt auch andersherum. "In den Printmedien haben Interviews mit Rechtsextremisten nichts verloren", ist im Befehlston in dem Papier zu lesen. Außerdem gehörten sie "grundsätzlich nicht in Talkshows oder Gesprächsrunden". Die Medien dürften aber auf der anderen Seite den "Rechtsextremismus nicht totschweigen". Die Instruktionen, wie man Rechte journalistisch korrekt stigmatisiert, werden die Initiatoren des Papiers künftig gerne selbst geben: "Wichtig ist hier, Journalisten das nötige Rüstzeug zur Verfügung zu stellen, partnerschaftliche Wissen und Kenntnisse über Details auszutauschen. Sinnvoll ist auch, in regelmäßigen Gesprächsrunden Hintergrundinformationen anzubieten und so dem aufklärenden Journalismus zu helfen." Nicht fehlen darf in dem Leitfaden die Forderung, "gesellschaftliche Bündnisse" zu unterstützen. "Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen oft an der Spitze von Bewegungen, die Gesicht zeigen", heißt es. Gemeint sind damit die zahlreichen Vereinigungen, die - staatlich alimentiert - den "Kampf gegen Rechts" führen.

Auf Annen und Edathy könnte allerdings noch weit mehr Arbeit zukommen, denn wenn man den Politologen Richard Stöss und Oskar Niedermayer Glauben schenkt, haben nicht die Funktionäre, sondern vor allem die Wähler der SPD ein alarmierendes Faschismusproblem. Dann laut einer Studie wählen 30 Prozent der vermeintlichen Rechtsextremisten bevorzugt die SPD. Die CDU folgt mit 26 Prozent, danach kommt die PDS mit sieben Punkten.

Fraglich ist allerdings, ob die zahlreichen Funktionäre und Mandatsträger der SPD die Orientierungspunkte tatsächlich ernst nehmen. So mancher gestandener Sozialdemokrat wird sich ob der drastischen Forderungen ungläubig die Augen reiben. Denn mehr oder minder verklausuliert ruft das Papier zur Denunziation auf und zeigt für die Grundwerte Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit allenfalls Geringschätzung.

Eine entscheidende Antwort liefert das Papier allerdings - vorerst - nicht. Wie soll man mit Mandatsträgern verfahren, die sich über die Forderungen hinwegsetzen? Blieben Verstöße folgenlos, wäre das Papier nicht ernst zu nehmen. Drohen SPD-Mitgliedern demnächst Sanktionen, wenn sie sich mit den falschen Leuten über falsche Themen unterhalten, ist die Frage, woher faschistoide Tendenzen tatsächlich drohen, durchaus berechtigt.

Foto: Annen, Schröder (2002): Der ehemalige Vorsitzende der Jungsozialisten sucht das Ohr des Kanzlers

Der komplette Leitfaden für SPD-Funktionäre kann im Internet unter der Netzadresse www.bnr.de  abgerufen werden.


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