© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/05 15. April 2005

Los von Madrid
Baskenland: Die Regionalparlamentswahlen gelten als Test für das umstrittene Unabhängigkeitsreferendum
Martin Schmidt

Am Sonntag stehen im spanischen Baskenland Regionalwahlen an. Und sollte dabei die katholisch-konservative Baskische Nationalpartei (EAJ/PNV) ihre bisherige Regierungsmehrheit behalten oder sogar ausbauen können, so wäre das für die baskischen Unabhängigkeitsbefürworter gleichzeitig eine vorweggenommene erfolgreiche Volksabstimmung über den "Plan Ibarretxe". Dieser nach Juan José Ibarretxe, dem Lehendakari (Regierungschef) des Baskenlandes, benannte Plan beinhaltet die Vision eines nur noch lose mit Spanien verbundenen "Freistaates" und sieht zu diesem Zweck die Abhaltung eines regionalen Unabhängigkeits-Referendums vor (JF 7/05).

Sollte am 17. März nicht die im Parlament der Hauptstadt Gasteiz (Vitoria) als stärkste Kraft vertretene EAJ punkten, sondern die PSE-EE (der baskische Ableger der in Madrid regierenden Sozialisten/PSOE) zusammen mit der dort oppositionellen Volkspartei (PP) eine Mehrheit bekommen, so würde das in Madrid als Ablehnung des "Plan Ibarretxe" und als Blankoscheck für neue Repressionen gegen die baskischen Nationalisten gewertet werden.

PSOE und PP sehen ansonsten den Zentralstaat in Gefahr, denn "die Verfassung stützt sich auf die unauflösliche Einheit der spanischen Nation", heißt es in Artikel 2. Daher dürfe es eine weitere Ausweitung der Ende der siebziger Jahre gewährten Autonomie oder gar Unabhängigkeit nicht geben. Die PP-Chefin im Baskenland, María San Gil, erklärte sogar Ibarretxe zum Eta-Sympathisanten. Der Lehendakari sei mit seinem Verhalten "näher bei den Henkern als bei den Opfern". Immerhin tausend Menschen sollen bislang der 1959 gegründeten Eta - die inzwischen auch von der EU auf der Liste der Terrororganisationen gesetzt wurde - zum Opfer gefallen sein.

Andererseits nimmt der Zentralismus bisweilen derart rigide Formen an, daß man sich hart am Rande zur Gesetzlosigkeit bewegt. So wurde Ende 1997 beispielsweise die gesamte 21köpfige Führung der damals noch legalen Partei Herri Batasuna (HB) in einem fragwürdigen Prozeß zu je sieben Jahren Haft verurteilt. Nachdem der Nachweis einer Komplizenschaft mit Eta-Terroristen nicht erbracht wurde, konnten die linksnationalistischen Aktivisten nach knapp zwei Jahren die Gefängnisse wieder verlassen.

Ende März 1998 deckte die HB auf, daß der spanische Militärgeheimdienst CESID monatelang verschiedene Parteibüros abgehört hatte. Auch vertrauliche Gespräche zwischen HB- und EAJ-Politikern wurden bei dieser Gelegenheit mitgeschnitten, obwohl die EAJ damals die Madrider PP-Regierung stützte. Im Juli 1998 wurde dann auch noch die HB-nahe Zeitung Egin zur Schließung gezwungen, was weiten Teilen der baskischen Bevölkerung als eindeutiger Verstoß gegen die Pressefreiheit erschien. In jüngster Zeit wurden sogar Geheimpläne der Madrider Zentralregierung ruchbar, notfalls die Armee zur Verhinderung eines baskischen Unabhängigkeitsreferendums einzusetzen. Im März wurde dann ein Verbot der baskischen Wählervereinigung Aukera Guztiak (AG/Alle Optionen) vom Obersten Gerichtshof verfügt und Anfang April vom Madrider Verfassungsgericht bestätigt. Bei der AG soll es sich um eine Fortführung der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) handeln.

Zur Begründung verwiesen die Richter auf polizeiliche Untersuchungen der knapp 32.000 Unterstützungsunterschriften für die neue Formation. Angeblich befinden sich darunter 1.000 Personen aus dem "Eta-Umfeld" sowie 6.000 Personen mit Kontakten zur Eta. Zudem soll die AG eine Verurteilung des Eta-Terrorismus abgelehnt haben.

Baskische Nationalisten verweisen demgegenüber darauf, daß sich unter den AG-Kandidaten niemand befinde, der früher für Batasuna bzw. deren Vorgängerin HB kandidiert hätte. Angesichts der geringen Größe der drei spanischen Baskenprovinzen Araba (Álava), Gipuzkoa (Guipúzcoa) und Bizkaia (Vizcaya) mit ihren nur 2,1 Millionen Einwohnern und der langen parteipolitischen Tradition der linksnationalistischen Kräfte wäre das, so betonen sie, schier unmöglich gewesen. Überdies müßte konsequenterweise auch ein Verbotsverfahren gegen die PSOE von Premier José Luis Rodríguez Zapatero eingeleitet werden, auf deren Listen sich sogar ehemalige Eta-Mitglieder befänden. Die AG legte Widerspruch gegen den "undemokratischen" Richterspruch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein, und die baskische Regionalregierung Ibarretxe verfaßte Protestschreiben an die Uno und andere internationale Organisationen.

Das AG-Verbot gefährdet nun möglicherweise die schon sicher geglaubte Mehrheit aus bürgerlichen und linken Kräfte im baskischen Parlament: Der EAJ und ihrem kleineren sozialdemokratischen Koalitionspartner Eusko Alkartasuna (EA) drohen neuesten Umfragen zufolge ein oder zwei Sitze an der absoluten Mehrheit zu fehlen, denn auf die nun verbotene Batasuna konnte mit zehn bis zwölf Prozent rechnen.

Dies könnte die Stunde einer erst 2002 gegründeten, bislang völlig unbedeutenden Splitterpartei werden, die nur aus wenigen Personen besteht: Der Führer der verbotenen Batasuna, Arnaldo Otegi, hat nun nämlich seinen Gefolgsleuten nahelegt, für die Kommunistische Partei der Baskischen Territorien (EHAK) zu stimmen. Das verärgert die spanisch-kommunistische Vereinte Linke (IU), die der EHAK abspricht, etwas mit der "glorreichen kommunistischen Geschichte in Spanien" zu tun zu haben. Die IU hatte schon gehofft, einen Teil der Batasuna-Anhänger für sich zu gewinnen. Die Kandidaten der EHAK könnten aber baskische Geschichte schreiben und nach dem Wahlsonntag das Zünglein an der Waage im Parlament werden. Für ein Verbot ist es jetzt zu spät.

Foto: Regierungschef Ibarretxe im Wahlkampf: Fordert einen nur noch lose mit Spanien verbundenen Freistaat, Spanische Provinzen des Baskenlandes: Seit 1979 autonom


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