© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/05 15. April 2005

Mit Macheten und Gewehren ausgerottet
Ruanda: Ein Film über den Hotelchef Paul Rusesabagina erzählt die Geschichte des Völkermordes an den Tutsis
Stefanie Wegner

Nach "Darwins Alptraum" von Hubert Sauper (JF 14/05) ist "Hotel Ruanda", auf der Berlinale außer Konkurrenz gelaufen und für mehrere Oscars nominiert, der zweite Afrika-Film dieses Frühjahrs. Auch dies ist wieder ein politischer Film, der die westliche Welt aufrütteln und für die Probleme des Kontinents sensibilisieren will. Für den deutschen Filmstart wurde bewußt der 7. April gewählt, der Jahrestag des Beginns des Völkermordes der Hutus an der Tutsi-Minderheit, bei dem 1994 schätzungsweise 800.000 Menschen starben.

Der Grund für den Rassenhaß liegt in der Geschichte: Die deutschen und später belgischen Kolonialherren bevorzugten die Tutsis, weil ihnen diese "zivilisierbarer" erschienen, und übertrugen ihnen Führungsämter. Von der Mehrheit der Hutus wurden sie deswegen seither als Kollaborateure verachtet. Der Film des Nordiren Terry George spielt in der Hauptstadt Kigali und erzählt die wahre Geschichte des Hotelchefs Paul Rusesabagina, der unter Lebensgefahr 1.268 Flüchtlingen beider Volksgruppen in seinen Räumlichkeiten Schutz bot: ein "afrikanischer Schindler". Die Handlung beginnt mit den sich steigernden Unruhen zwischen Hutu-Milizen und Tutsi-Rebellen. Präsident Juvénal Habyarimana verunglückt bei einem Flugzeugabsturz tödlich, angeblich eingefädelt durch die Tutsis, wie im radikalen Hutu-Sender Radio Télévision Libre des Mille Collines (RTLM) behauptet wird. Zuvor gab es schon öfters Morde an Tutsis, die im RTLM bejubelt und - etwa von Simon Bikinde - in volkstümlichen Liedern besungen wurden. Doch nach dem Tod Habyarimanas bricht endgültig die Hölle los.

Rusesabagina, selbst Hutu, aber mit einer Tutsi glücklich verheiratet und Vater dreier Kinder, wird hilfloser Zeuge von grausamsten Übergriffen in der Nachbarschaft. Kurzerhand quartiert er seine engsten Verwandten und Freunde im von der Uno bewachten Nobelhotel ein. Dessen belgischer Manager hat sich inzwischen in sein Heimatland abgesetzt, und so fällt Rusesabagina die Aufgabe zu.

Das Massaker sollte 100 Tage dauern. Während draußen schon ganze Dorfbevölkerungen mit Macheten, Gewehren und Nagelkeulen ausgerottet werden, von den fanatisierten Hutu-Milizen als "Kakerlaken" bezeichnet, glaubt Rusesabagina noch fest an eine Intervention der Uno-Blauhelme.

Und tatsächlich erscheint bald eine Division, die aber nur die Funktion hat, für das sichere Ausfliegen der noch anwesenden weißen Gäste zu sorgen. Die westliche Welt ignoriert den Völkermord, bestenfalls löst er Betroffenheit vor dem Fernseher aus. Anders als im Falle des Irak scheinen die Menschenrechte hier keine Intervention zu rechtfertigen, es zählen allein handfeste wirtschaftliche Interessen.

Der örtliche UN-Befehlshaber ist machtlos, zum Schutze des Hotels können nur vier Blauhelme bleiben, die ihre Waffen allein zur Verteidigung einsetzen dürfen. Inzwischen sind weitere Flüchtlinge dazugekommen. Total desillusioniert versucht der Manager seine einflußreichen Beziehungen spielen zu lassen: Mit Diplomatie, Bestechung und diversen Tricks gelingt es ihm, Zeit zu gewinnen und schließlich die meisten seiner Gäste zu retten, trotz Verrats in den eigenen Reihen.

Rusesabagina lebt heute mit seiner Familie in Belgien als Spediteur, verbittert ob der Grausamkeiten, die sich Menschen gegenseitig antun können. Trotzdem kämpft er wie sein filmisches Alter ego, der US-Schauspieler Don Cheadle, dafür, daß die Uno bei drohenden Völkermorden dieser Art, besonders im Sudan oder Kongo, in Zukunft nicht wegsieht.

Foto: Paul Rusesabagina: Stiller Held


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