© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/05 15. April 2005

Frisch gepresst

Rauschning. Mehr als sechzig Jahre vor dem aktuellen "Hitler-Hype" auf dem Buchmarkt schuf Hermann Rauschning einen Bestseller über den deutschen Diktator. Der frühere NSDAP-Senatspräsident im unter Völkerbundsmandat stehenden Danzig schlug damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen dienten seine "Gespräche mit Hitler" der Abrechnung mit den früheren Parteigenossen und dessen Führer, mit denen er im Streit brach, und ließen sich als alliierte Propaganda gegen Hitler trefflich gebrauchen, andererseits wurde Rauschning in seinem Pariser Exil durch die Großauflage auch noch reich. Nach dem Krieg diente sein Buch sogar als besondere Hitler-Quelle, bis Historikern wie Theodor Schieder oder Hans Mommsen auffiel, daß vieles ungereimt war. Die Bombe platzte endgültig, als Rauschnings Verleger später bestätigte, daß das ganze Werk erlogen gewesen sei. Doch da das Hitler-Bild so schön gezeichnet war, findet der Autor Markus Pyka, habe das Buch es "nicht verdient", vergessen oder "als Fälschung abgetan zu werden". Denn immerhin enthalte Rauschnings erfundenes Hitler-Bild doch "Deutungen, die aus seiner unmittelbaren Einsicht erwachsen sind". Daß - wie man heute weiß - Rauschnings Einsichten nur auf kurze Begegnungen mit "seinem Führer" statt auf "stundenlanges Zuhören von Monologen" fußen, scheint Pyka in seiner Einführung der neupräsentierten "Gespräche" völlig zu verdrängen (Gespräche mit Hitler. Zeitzeugen. Europa Verlag, Zürich 2005, 281 Seiten, broschiert, 19,90 Euro).

Serienmörder. Die Prominenz des mehrfachen Sexualmörders resultiere aus der Struktur des Medienmarktes, besonders der Boulevardblätter. Die Autoren Kathrin Kompisch und Frank Otto wollen anhand ihrer Untersuchung zeigen, "welche Bilder des Bösen dabei konstruiert werden", und daraus Rückschlüsse auf die "Konstitution einer Gesellschaft" ziehen. Bei der Präsentation ihrer Serienmörderriege drängt sich allerdings der Eindruck auf, daß sie das Böse tatsächlich eher bei den Redakteuren von Bild und Co. statt bei den von diesen dargestellten Mordbuben verorten (Monster für die Massen. Die Deutschen und ihre Serienmörder. Militzke Verlag, Leipzig 2004, 202 Seiten, gebunden, 14,90 Euro).


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