© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/05 22. April 2005

Die Woche
Holzhammer statt Argumente
Fritz Schenk

Die SPD ist außer Tritt geraten. Die jüngsten Umfrageergebnisse haben ihr die Sprache verschlagen. Zwischen acht und zehn Prozentpunkte liegen die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen vor den Landtagswahlen am 22. Mai hinter der CDU zurück. Rund eine Million Wähler müßte sie noch für sich mobilisieren. Das ist gut vier Wochen vor der Wahl ein riesiger Brocken. "Was nun?", das war ein Titel von Lenin vor dem Ersten Weltkrieg, mit dem er damals seine Genossen zur rücksichtslosesten Revolution aufgerufen hatte. Darauf scheint sich die SPD nun besonnen zu haben. Wenn Argumente nicht mehr ziehen, hilft ihrer Meinung nach wohl nur noch der agitatorische Holzhammer.

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering persönlich hat die neuen unversöhnlichen Töne am vergangenen Wochenende angeschlagen - und bereitwillig sind ihm vom Kanzler bis zu den tonangebenden Spitzenfunktionären alle gefolgt. "Das Kapital" und "die Großwirtschaft" heißen nun die Hauptfeinde, und gegen sie wurden die Glacehandschuhe ausgezogen. Sie sollen aufhören, immer neue Reformen zu fordern, und endlich ihrer "Bringeschuld" nachkommen und Arbeitsplätze schaffen. Besonders ins Visier genommen werden jene, die sich quasi als Vaterlandsverräter benehmen und ihre Produktionen ins Ausland verlagern.

Gegen "Lohndumping" wird gewettert und nach Gesetzen gerufen, die Mindestlöhne und strengere Entsenderegelungen für ausländische Firmen und Arbeitskräfte festlegen sollen. Da kommt von Norbert Blüm und Heiner Geißler auch aus dem Unionslager Zustimmung. Und wenn der Sachverstand durch pure Angst vor Machtverlust ersetzt wird, treiben Neid- und Haßtiraden seltsame Blüten. So forderte doch sogar einer der Kapitalismuskritiker ohne Scheu vor Lächerlichkeit, die Konsumenten sollten jene Unternehmen durch Kaufverweigerung strafen, die betriebsbedingte Entlassungen vornehmen. Also: Wenn Opel wegen Absatzrückgangs nicht mehr genügend Leute beschäftigen (und bezahlen) kann, dann noch weniger Opel-Autos kaufen, bis die wieder Arbeitskräfte einstellen!

Das Bedrückende an dieser neuen Hatz- und Hetzkampagne ist nur, daß sie sich in genau jener Zeit entwickelt, in der gleichzeitig ununterbrochen an die Verbrechen der Nazis und die deutsche Leichtgläubigkeit gegenüber diesen ideologischen Volksverführern gedacht wird. Ältere Jahrgänge erinnern sich nur zu gut, daß Adolf Hitler gerade mit seinem Autarkieprogramm und dem "Los vom Ausland"-Gerede die Kurzsichtigen auf seine Seite gezogen hatte.

Ähnlich hatten sich die Kommunisten verhalten. Außenhandel spielte nur für Produkte eine Rolle, welche die Machthaber für ihre militär- oder machtpolitischen Ziele brauchten. An der Hinterlassenschaft dieser Politik haben wir heute und für geraume Zeit noch zu knabbern. Sowenig der schlesische Weberstreik gegen den automatischen Webstuhl oder der Londoner Zeitungsstreik gegen die Setzmaschine Ende des 19. Jahrhunderts die technische Entwicklung aufhalten konnten, sowenig wird die Globalisierungs-Angstmache die weitere Vernetzung der Wirtschaftswelt verhindern. Sie anzunehmen, sich darauf einzustellen, innere Hindernisse für schnelle Entscheidungen in der Wirtschaft zu überwinden, ist das Gebot der Stunde. Wer aber nicht weiß, daß dazu feinste Filigranarbeit erforderlich ist, holt lieber den Holzhammer statt die Lupe aus der Schublade.


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