© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/05 22. April 2005

"Ich bin der Kapitän"
Österreich: Jörg Haider wurde zum Chef des neuen BZÖ gewählt / Bislang viel Klamauk und wenig Programm
Curd-Torsten Weick

We are family, I got all my sisters with me ... Living life is fun and we've just begun ...", hallte es durch den noch nicht eröffneten, modernen "Amadeus-Terminal 2" des Salzburger Flughafens. Unter der Klängen des Siebziger-Jahre-Hits von Sister Sledge erfolgte der Einzug der BZÖ-Spitze zum Gründungskonvent ihrer neuen Partei.

Ganz dem seit Wochen propagierten Motto "jung, flott, lässig" entsprechend wurde ein "Event" präsentiert, das mit allen Mitteln versuchte, sich von jeder FPÖ-Nähe abzusetzen. Die Konventsregie wollte "coole" Dynamik und setzte sie konsequent in Szene. Statt freiheitlichem Blau nun also überall Orange: Apfelsinen, Blumen, Jacken und Krawatten. Die 564 Delegierten konnten sich an "Check-in-Schaltern" anmelden und wurden im Anschluß von halbnackten Trapezkünstlern und locker beschürzten Geigerinnen in die BZÖ-Moderne geführt.

"Begrüßen Sie den Chefpiloten und seine Mannschaft", forderte eine Stimme aus dem Nichts, und der Konvent begann. Zu Beginn versuchten Vizekanzler Hubert Gorbach, Sozialministerin Ursula Haubner und Justizministerin Karin Miklautsch den Delegierten - unter ihnen um die 300 Delegierte aus Jörg Haiders Stammland Kärnten - die politischen Eckpunkte des "Bündnisses Zukunft Österreich" näherzubringen. Das gelang ihnen jedoch nur zum Teil und war so auch nicht beabsichtigt. Denn das BZÖ verfügt noch über keinerlei Programm - und über eine politische Ideologie schon gar nicht. Letztere empfindet man bei der Regierungsarbeit als Hemmschuh und überläßt sie liebend gern dem EU-Abgeordneten Andreas Mölzer und Volksanwalt Ewald Stadler. Doch die gehören zur FPÖ und mit ihrem freiheitlichen Programm zur Konkurrenz.

Das Programm des BZÖ heißt Jörg Haider, und so wartete alles auf dessen Rede. Ganz programmgemäß wurde der Kärntner Landeshauptmann vom nur teils gefüllten Saal mit stehendem Applaus empfangen und rechnete als selbsternannter "Kapitän" nochmals mit den "politischen Leichtmatrosen" der FPÖ ab, die einen Erfolg der Partei unmöglich gemacht hätten. Entsprechend zeigte er sich von Grund auf "erleichtert", nun endlich neu zu starten und die Erfolge in der Regierungsarbeit "besser vermarkten" zu können. Um letztendlich nicht völlig als programmlos dazustehen, erklärte der Kärntner, daß man für eine freisinnig-soziale Politik stehen würde: Primär werde man sich "dem großen Anliegen der Menschen - Sicherung der Arbeit und des Einkommens im globalen Wettbewerb - stellen". Der Applaus war lau und steigerte sich erst, als es gegen Rot und Grün ging. Nach 90 Minuten einer durchwachsenen Rede war Haider am Ende und erklärte: "Ich bin der Kapitän, die Tore müssen andere schießen. Glück auf!" Ganz der modernen Regie des Konvents entsprechend war das Organisatorische danach schnell erledigt, die Wahl Formsache. Wie erwartet wurde Haider mit einer Stimmenthaltung offiziell zum BZÖ-Chef gekürt, inoffiziell zum BZÖ-"Motivator". Ebenso klare Ergebnisse erhielt sein "Team": Vizekanzler Gorbach als geschäftsführender Parteichef und Justizministerin Karin Miklautsch sowie die Wiener Gemeinderätin Heike Trammer - aus dem Lager des Wiener FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache gern gesehen - als BZÖ-Vizechefinnen.

Während Haiders Bewegung ihren Gründungskonvent, der von den österreichischen Medien eher belächelt und ironisch kommentiert wurde, hinter sich hat, steht der FPÖ ihr Landesparteitag noch bevor. Und anders als beim BZÖ ist die Regie dafür nicht bereits im Vorfeld festgelegt. Fest steht für den Zur Zeit-Chefredakteur Andreas Mölzer allerdings eines: Die FPÖ kämpft um ihr "Überleben". Ganz so pessimistisch sieht der designierte Bundeschef der FPÖ, Heinz-Christian Strache, die Entwicklungen nicht. Doch mußte auch er enttäuscht feststellen, daß der Spaltpilz an seiner Wiener FPÖ nicht vorbeiging. Acht der 21 Mandatsträger wechselten von Blau zu Orange und sorgten für Unruhe: Unruhe, die auf so manchen FPÖ-Landesverband übergesprungen ist. In Oberösterreich propagierte Klubobmann Günther Steinkellner einen von der Bundes-FPÖ losgelösten Kurs und wurde prompt aus der FPÖ ausgeschlossen. Es folgte ein Chaos gegenseitiger Ausschlüsse, Schlösser-Wechselns sowie mehrerer Polizeieinsätze. Strache richtet den Blick nach vorn und hofft, daß sich acht der neun Landesverbände zur FPÖ bekennen werden.

Foto: BZÖ-Führung mit Scheuch, Gorbach, Haider, Miklautsch, Haubner und Scheibner (v.l.n.r.) beim Gründungskonvent: "Positive Energien und die visionären Kräfte uneingeschränkt für Österreich einsetzen"


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen