© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/05 22. April 2005

BRIEF AUS BRÜSSEL
Zu früh für Sofianund Bukarest
Andreas Mölzer

Wenn Rumänien und Bulgarien 2007 der Europäischen Union beitreten, soll dies - so hören wir von den Erweiterungs-Predigern - zu einer zusätzlichen Stabilisierung am Balkan führen. Zweifellos sind Rumänen und Bulgaren Mitglieder der europäischen Völkerfamilie, und gerade aus österreichischer Sicht ist es positiv zu sehen, daß mit Rumänien ein Land zur EU kommt, das zu weiten Teilen bis zum Ersten Weltkrieg in der k.u.k-Völkerfamilie verankert war.

Das ändert allerdings nichts daran, daß beide Länder nicht nur in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht nach wie vor große Probleme haben, die trotz aller Reformbemühungen nicht gelöst sind. Nach Schätzungen der EU-Kommission kostet die Aufnahme von 2007 bis 2013 etwa 44,3 Milliarden Euro. Beide Länder haben auch im Hinblick auf den Export von Kriminalität, die nicht zuletzt aus der Korruption im Inneren der betreffenden Länder resultiert, große Probleme.

So führt Transparency International, eine Organisation, welche die Korruption bekämpft, Rumänien in Nachbarschaft zum Iran und der Dominikanischen Republik auf Platz 87 der Rangliste der korruptesten Länder. Selbst Kolumbien oder dem westafrikanischen Mali, die sich weiter vorne auf der Liste finden, werden transparentere Verhältnisse in Politik, Wirtschaft, Justiz und Verwaltung bescheinigt.

Wenn überdies in Rumänien noch immer 30 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, ist zu befürchten, daß der Druck auf den Arbeitsmarkt der bisherigen EU-Länder gewaltig ansteigt. Daran werden auch die prozentual hohen Wachstumsraten der rumänischen Wirtschaft nichts ändern. Es wird noch einige Jahrzehnte dauern, bis Rumänien den EU-Durchschnitt erreicht haben wird. Angesichts der tristen wirtschaftlichen Lage werden auch weiterhin Tausende Rumänen ihr Glück in den wohlhabenden Mitgliedstaaten der EU suchen. Rumänien soll, so prophezeien Demographen, in den nächsten zwanzig Jahren ein Zehntel seiner Bevölkerung, das sind zwei Millionen Menschen, verlieren - ein Bevölkerungsrückgang, der zum Großteil durch Auswanderung verursacht wird.

Natürlich gibt es leider Gottes auch so etwas wie einen Kriminaltourismus, den nicht zuletzt Österreich und auch Deutschland sehr intensiv verspürt haben. Es gibt zwar Anzeichen, daß mit der EU-Osterweiterung dieser Kriminaltourismus gesunken ist und durch verstärkte Grenzkontrollen der angrenzenden Staaten die Einreise von Straftätern in die bisherige EU erschwert wurde. Bevor man den EU-Beitritt befürwortet, muß man von Bukarest und von Sofia verlangen, daß sie alles in ihren Kräften Stehende tun, um den Export von organisierter Kriminalität nach Mitteleuropa und in die EU zu verhindern. So ist etwa in Wien in letzter Zeit zu beobachten, daß strafunmündige junge Bulgaren von Verbrecherbanden gezielt zur Begehung von Straftaten, vor allem von Diebstählen, eingesetzt werden.

Solange es organisierte Banden gibt, die aus Rumänien in die EU einreisen, solange Bulgarien als Haupttransitland für den Waffenschmuggel aus dem Südosten gilt, ist es verständlich, daß die Bevölkerung von EU-Mitgliedsstaaten wie Österreich schwere Vorbehalte gegen den Beitritt dieser beiden Staaten hat. Die effektive Kriminalitätsbekämpfung wird also die beste Möglichkeit für Bulgarien und Rumänien sein, sich den EU-Beitritt zu erarbeiten. Noch ist es aber nicht soweit.


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