© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/05 22. April 2005

CD: Pop
Sommerbrise
Michael Insel

Eigentlich müßte Brendan Benson längst ein Star sein. Die Fachpresse jedenfalls war begeistert von seinem 1996 erschienenen Debütalbum "One Mississippi". Wenig später jedoch geriet der junge Sänger mit seiner Plattenfirma Virgin aneinander, die ihm prompt den Vertrag kündigte. Er verließ Los Angeles und tauchte in den Detroiter Vorort Belle Isle ab, wo er mit dem Rest des Vorschusses für sein zweites Album ein eigenes Aufnahmestudio gründete. Erst sechs Jahre später meldete er sich mit "Lapalco" zurück, einem dunklen, versonnenen und dabei seltsam berauschenden Werk, das schnell zum Geheimtip wurde. Bensons neue Platte "The Alternative to Love" (V2) könnte nun endlich jenes Versprechen von vor fast zehn Jahren einlösen und ihm zum verdienten internationalen Durchbruch zu verhelfen.

Auch durch "The Alternative to Love" zieht sich eine schwermütige Unterströmung, ein ordentlicher Schuß Vitriolsäure, der - so deutet es der Künstler selbst an - eher seinen Zusammenstößen mit den Mächtigen des Musikgeschäfts gilt als dem Liebeskummer und Herzweh, von dem die Liedtexte erzählen. Im Vergleich zu Bensons früheren Platten sind die hier versammelten Stücke zugänglicher: funkelnde Melodien, in denen öfter mal die Beatles anklingen, und noch bei den introspektivsten Stücken fällt es plötzlich schwer, die Füße stillzuhalten.

Gleich die erste Nummer "Spit it Out", eine erfrischende Sommerhymne für alle der Feelgood-Hits Überdrüssigen, oder das zur nächsten Single designierte "Cold Hands (Warm Heart)", ein auf Hochglanz poliertes Popjuwel über das Ende einer Beziehung, reißen den Hörer auf eine Achterbahnfahrt mit. Kaum eine Atempause gönnen ihm die emotionsgeladenen Rhythmen, unter die Haut gehenden Melodien und virtuosen Instrumental-Einlagen der nächsten Stücke.

Zu den besten unter ihnen zählt der Titelsong, eine Folk-Rock-Collage mit Blues-Gitarre und mehrstimmigem Gesang, wie es die Beach Boys kaum schöner können; "Them and Me", eine getragene, düstere Melodie, durch die Bensons Akustikgitarre spukt; "Gold Into Straw", ein musikalisches Wechselbad enttäuschter Hoffnungen, unverhoffter Enttäuschungen; und das letzte Stück "Between Us", eine rockige Nummer mit dröhnendem Klavier, bei der man Einflüsse von Hawkwinds "Silver Machine" und auch ein wenig Oasis herauszuhören meint.

So gut sich diese CD für Spritztouren an sonnigen Tagen eignet - man sollte sie auch (mindestens) einmal zu Hause über Kopfhörer spielen, um ihre musikalische wie textliche Komplexität schätzen zu lernen. Ein paar kleinere Ärgernisse gibt es an diesem nahezu perfekten Album dennoch zu bemängeln. Da wäre der zuckersüße Lollipop "Feel Like Myself" und der Klangteppich von "The Pledge", dessen Webmuster dem von Phil Spector komponierten Crystals-Hit "Then He Kissed Me" allzusehr ähnelt, um den Anspruch auf Originalität aufrechtzuerhalten, den diese Platte ansonsten erheben kann.

"The Alternative to Love" entstand in Bensons Studio La Grande, das er um der Authentizität willen mit gebraucht gekauften Originalgeräten ausstattete und um der Klangqualität willen mit digitalen Neuerungen aufmotzte. Wenn er nicht an eigenen Stücken feilt, produziert er Material für Kollegen wie die Garage-Rocker The Greenhornes aus Cincinnati oder die neue Platte seiner Detroiter Nachbarn The White Stripes nach deren Welterfolg "Elephant". Mit Jack White arbeitet er überdies an einem Album, auf dessen Erscheinen noch in diesem Jahr eine gemeinsame Tournee folgen soll - laut Benson "eine Mischung aus Deep Purple und Cat Stevens". Man darf gespannt sein. Wenn es nur halb so gut gerät wie dieses, lohnt sich das Warten.


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