© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/05 29. April 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Demoralisierung
Karl Heinzen

Vor einigen Jahren meinten die Wähler einiger europäischer Staaten aus schon damals kaum nachvollziehbaren Gründen, das Experiment einer Einbindung rechtspopulistischer Kräfte in die Regierungsverantwortung ermöglichen zu müssen. Diese kurze Phase neigt sich nun ihrem Ende entgegen. In den Niederlanden war sie per se nur kurz und peinlich, in Portugal geräuscharm und kaum wahrgenommen. Aber auch in Österreich und in Italien ist die Popularität der Populisten unterdessen erloschen. Die Koalitionen, in denen sie noch ihr Unwesen treiben, dürften die nächsten Wahlen kaum überstehen. Die Zeit, eine Bilanz dieses Intermezzos zu ziehen, ist gekommen.

Zunächst gilt es dabei als ein erfreuliches Resümee festzuhalten: Alle Befürchtungen, die Regierungsbeteiligung von Rechtsaußenkräften könnte die gewachsene politische Kultur der betroffenen Staaten erschüttern und sich auf diese Weise vielleicht sogar unvorteilhaft auf die Europäische Union auswirken, haben sich nicht bewahrheitet. Die Zivilgesellschaft ließ sich keine geistige Wende oktroyieren. Die Rechtskräfte konnten ihre einschlägigen symbol- oder geschichtspolitischen Steckenpferde nirgends reiten, sie gaben vielmehr den Eifer zu erkennen, sich in den jeweils schon bestehenden common sense lernbegierig einzufügen.

Aber auch auf den Feldern der eigentlichen Politik haben sie entgegen allen ursprünglichen Unkenrufen keinen Schaden angerichtet. Dem neoliberalen Projekt einer systematischen Demontage staatlicher Gestaltungsspielräume sind sie nicht in den Rücken gefallen, sie bemühten sich vielmehr, ihm, wenn auch mit letztlich untauglichen Mitteln, nach bestem Wissen und Gewissen zu dienen. Dabei nahmen sie uneigennützig sogar in Kauf, daß sich Wähler, die in ihnen anfänglich eine Zuflucht vor den Zumutungen der Marktgesellschaft sahen, schnell wieder in Scharen von ihnen abwandten.

Damit aber ist die historische Mission, die man kurzzeitig der Rechten zuerkennen mochte, auch schon wieder beendet gewesen. Ohne ein eigenes Konzept, das über eine primitive Form von verbalradikalem, kleinbürgerlichen Wohlstandschauvinismus hinausginge, waren sie lediglich ein Instrument, um das Unbehagen breiter Bevölkerungsschichten über die neoliberale Zersetzung des Sozialstaates in einer für diese prekären Phase zu binden und damit zu neutralisieren. Ein Beitrag zur Modernisierung ist ihnen daher nicht abzusprechen: Die Rechten haben erfolgreich zur weiteren Demoralisierung der Menschen beigetragen. 


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