© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/05 29. April 2005

Frisch gepresst

Werner Bergengruen. Die gegenwärtig den Ton angebende Germanistengeneration, die sich 1968 immatrikulierte, ist günstigstenfalls bereit, den zur "Inneren Emigration" zählenden deutschen Schriftstellern einen "Freispruch zweiter Klasse" zu gewähren, wie Günter Scholdt dies 2002 im Zuckmayer-Jahrbuch genannt hat. Der Weilheimer Gymnasiallehrer Friedrich Denk, nicht zur Zunft zählend, sprach schon vor Jahren vom Skandal der "Zensur der Nachgeborenen". Wie Scholdt und Denk zudem nachweisen konnten, haben die Zensoren die Texte der "üblichen Verdächtigen", der Wiechert, Hausmann, Jünger, Lange, Gurk, Brunngraber, Schnabel, Pohl, Haushofer oder Thiess selten gelesen, und der größte Teil der Autoren ist ihnen ohnehin unbekannt. Insofern fallen auch die jetzt von Frank-Lothar Kroll, N. Luise Hacklsberger und Sylvia Taschka edierten "Aufzeichnungen und Reflexionen zu Politik, Geschichte und Kultur 1940-1963" des baltischen Romanciers und Essayisten Werner Bergengruen (Schriftstellerexistenz in der Diktatur. Oldenbourg Verlag, München 2005, 298 Seiten, Abbildungen, broschiert, 34,80 Euro) auf wenig fruchtbaren Boden. Zumal nur 15 Seiten die Jahre von 1942 bis 1945 abdecken, Bergengruen also weniger als "Innerer Emigrant" denn als ein großer "Unzeitgemäßer" der Adenauer-Republik kennenzulernen ist - obwohl seine Texte noch bis in die sechziger Jahre hinein in jedem Schulbuch zu finden waren.

Alexander Newski. Analogien zu Alexander Newski finden sich in Europa vielleicht am ehesten in der Jungfrau von Orleans. So sind beide bis in die heutige Zeit zum Mythos ihrer Nation geworden, beiden wird eine zentrale Rolle im Abwehrkampf gegen fremde Eindringlinge zugesprochen. Ob der Sieg auf dem Eise des Peipus-Sees 1242 gegen den Deutschen Orden tatsächlich die politischen Folgen hatte, die ihm zugesprochen werden, ist dabei unerheblich. Der Osteuropahistoriker Frithjof Benjamin Schenk analysiert in seiner fundierten Studie die Figur des mittelalterlichen Adligen, der über die viele Jahrhunderte hinweg - insbesondere bei Angriffen aus dem Westen -sowohl von vielen Zaren wie auch von Stalin gerne als russische Identifikationsfigur bemüht wurde (Aleksandr Nevskij. Heiliger - Fürst - Nationalheld. Eine Erinnerungsfigur im russischen kulturellen Gedächtnis 1263-2000. Böhlau Verlag, Köln 2005, 548 Seiten, gebunden, 68,90 Euro).


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