© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/05 29. April 2005

"Ohne jede politisch-ideologische Einflußnahme"
Horst Boog, früherer Luftkriegsexperte am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, weist die Vorwürfe gegen die Dresdner Opferzahlen-Kommission zurück
Horst Boog

In der JF-Ausgabe 16/05 schrieb Hans-Joachim von Leesen über die Dresdner Kommission zur Ermittlung der Opferzahlen des Bombenangriffs 1945.

Bereits zum zweiten Mal hat Herr von Leesen in der JUNGEN FREIHEIT dem Historikerausschuß zur Feststellung der Dresdner Opferzahlen bewußtes Herunterrechnen dieser Zahlen aus politischen Motiven unterstellt, einmal anläßlich der Konstituierung des Komitees, als in der Tat kein Anlaß zu einer solchen Vermutung bestand, und dann in der JF 16/05 vom 15. April 2005 unter der Überschrift "Auftrag ausgeführt". Hier bezieht er sich vornehmlich auf Äußerungen des Sprechers des Ausschusses, Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller, Wissenschaftlicher Direktor am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Arbeitsgruppenleiter des Bandes 10 der MGFA-Reihe "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg" und Honorarprofessor an der Humboldt-Universität Berlin. In seinem ersten Artikel gab Herr von Leesen noch unter Bezug auf meine Mitgliedschaft im Ausschuß der Hoffnung Ausdruck, man werde ergebnisoffen an die Aufgabe herangehen. Diese Hoffnung hat er nun offensichtlich nicht mehr.

Ich möchte hier zum Ausdruck bringen, daß ich über die beiden Artikel von Herrn von Leesen sehr erstaunt war und die darin enthaltene Unterstellung als unfair den Kollegen des Ausschusses und mir gegenüber ansehe. Sie drückt doch eher seine eigene Voreingenommenheit aus als eine solche des Dresdners Oberbürgermeister, des Professor Müller oder des Ausschusses. Herrn Müller habe ich selbst in der konstituierenden Sitzung für die Federführung vorgeschlagen, für die ursprünglich entweder Professor Benz, Berlin, oder ich vorgesehen war. Ich lehnte ab, da ich als Pensionär, der noch mit der Fertigstellung der Gesamtbilanz des Bombenkrieges für den 10. (Schluß-) Band der angeführten MGFA-Reihe befaßt ist, keine zusätzlichen Aufgaben übernehmen wollte und mir die fachliche Leitung der Arbeitsgruppe von Freiburg aus ohne Hilfsmittel sehr unpraktisch erschien. Herr Müller hingegen ist noch aktiv, verfügt über einen Büroapparat und ist Dresden viel näher als ich. Er ist ein ausgewiesener Zweiter-Weltkriegs- und Rüstungshistoriker und muß für die Aufgabe nicht unbedingt auch Luftkriegsexperte sein, zumal es davon genügend im Komitee gibt. Seine wissenschaftlichen Fähigkeiten hat er durch zahlreiche Veröffentlichungen unter Beweis gestellt. Er zeichnet sich durch wissenschaftliche Produktivität und eine außerordentliche Arbeitsenergie aus. Außerdem hat er mit seiner kritischen Stellungnahme zur Reemtsma-Wehrmachtsausstellung Profil gezeigt. So kann kein Zweifel an seiner wissenschaftlichen Objektivität bestehen.

Zu dem noch nicht endgültigen, aber - ohne jede politisch-ideologische Einflußnahme von wem auch immer - wahrscheinlichen Ergebnis der Kommissionstätigkeit möchte ich auch auf meine Rezension des Buches von Wolfgang Schaarschmidt, "Dresden 1945", in der FAZ vom 12. Februar 2005 verweisen (ein darin enthaltener Redaktionsfehler wurde mit Leserbrief von Dr. Helmut Schnatz in der FAZ vom 8. März 2005 korrigiert).

Herr Schaarschmidt hatte mir sein im allgemeinen in einem sachlichen Ton abgefaßtes Buchmanuskript schon Monate zuvor zur Begutachtung geschickt. Ich schrieb ihm, daß er tatsächlich nur die bereits von anderen Rechercheuren festgestellten niederen Opferzahlen bestätigt und die von ihm nichtsdestotrotz und aus mir unerfindlichen Gründen angenommenen höheren Zahlen weit übertrieben sind und eines Beweises entbehren. So steht es auch in meiner Rezension, die ich völlig unabhängig und aufgrund eigener Recherchen in den Quellen geschrieben habe. Auch die anderen Kollegen der Kommission arbeiten unabhängig nach wissenschaftlich neutralen Gesichtspunkten. Ich bin sicher kein Linksaußen, aber auch kein Rechtsaußen, sondern halte mich für gemäßigt konservativ, und es ist selbstverständlich, daß man als Historiker seinem wissenschaftlichen Verstand zu folgen hat. Mir ist kein Wunsch und keine Vorgabe des Dresdners Oberbürgermeisters, dem die Leitung der Kommission obliegt, zur absichtsvollen Reduzierung der Dresdner Opferzahlen bekannt. Die der Kommission gestellte Aufgabe lautet nur auf Feststellung der Dresdner Opferzahlen mit wissenschaftlichen Methoden.

 

Dr. Horst Boog, ehemaliger leitender wissenschaftlicher Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes in Freiburg, ist Herausgeber der Bände "Luftkriegführung im Zweiten Weltkrieg. Ein internationaler Vergleich" (1992).


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