© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/05 29. April 2005

Medienpreis "Civis": ARD und ZDF diskutieren die bessere Integration von Ausländern
Türkischer Tagesschausprecher
Ronald Gläser

Welche Rolle spielen Ausländer im deutschen Fernsehen? Wie geht das Fernsehen mit Rechtsradikalismus um? Was können ARD und ZDF zu einer gelungenen Integration beitragen? Fragen über Fragen, die die Medienbeauftragten schon seit geraumer Zeit bewegen. Die aber letztlich immer noch der Antworten harren. Also traf sich die Elite der deutschen Rundfunkanstalten dieser Tage in Berlin zu einem Kongreß, um sich mal wieder richtig Gedanken zu machen.

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird ja stets in großen Kategorien gedacht. Im europäischen Maßstab zum Beispiel. So hat die ARD ihren Medienpreis "Civis" (lateinisch für "der Bürger") jetzt schon zum zweiten Mal "europäisch ausgeschrieben". Und als ob es nicht genug Rummel um private Medienpreise gäbe, wird die Vergabe des semistaatlichen Preises richtig groß aufgezogen. Fast ein halbes Jahr vor der geplanten Preisverleihung, die am 28. September im Europäischen Parlament vorgenommen werden soll, hat die ARD zu einem diesbezüglichen Medienforum eingeladen - und alle, die im deutschen Fernsehen etwas zu sagen haben, sind gekommen.

Mehr Ausländer auf die Mattscheibe

Das Thema des Forums war ja auch wichtig: Darstellung und Perspektiven der Einwanderungsgesellschaft in den Medien. Einleitend sprach Fritz Pleitgen, der Vorsitzende des Civis-Kuratoriums und WDR-Intendant, der inhaltlich jedoch wenig zu sagen wußte. Interessant wurde es, als ein gewisser Udo Michael Krüger das Wort ergriff. Krüger ist Chef des Instituts für empirische Medienforschung und hat im Auftrag des WDR das WDR-Fernsehen untersucht. Unter Gesichtspunkten wie: Aus welchen Ländern stammen Ausländer, die beim WDR überwiegend gezeigt werden? Oder: Mit welcher Tendenz werden sie dargestellt? Ein Jahr lang hat Krüger das Programm untersuchen lassen, um festzustellen: "Der NRW-Durchschnittszuschauer kann im Non-Fiction-Bereich täglich rund zwanzig Minuten über Ausländer sehen." Was für eine Erkenntnis! Und warum ARD und ZDF immer neue Gebührenerhöhungen benötigen, weiß der Zuschauer jetzt auch, denn solche Studien wollen schließlich bezahlt sein.

Bemerkenswert sind einige der Filmausschnitte, die Krüger vorführen läßt, darunter ein Beitrag, der muslimische Kinder in ihrer Bielefelder Moschee porträtiert. Dort sagen sie die fünf Grundsätze aus dem Koran auf. Der erste lautet: "Es gibt keinen Gott außer Allah." Widerspruch dagegen regt sich weder beim Moderator der Dokumentation noch bei den Teilnehmern. Aber wie bekommen wir jetzt mehr Ausländer auf die Mattscheibe? Die Frage beschäftigt alle im Saal. ARD-Koordinator Ulrich Deppendorf weiß "politisch korrekten" Rat: "Wir setzen ganz bewußt Mitarbeiter ein, die einen Migrationshinter-grund haben. Wir zeigen die Integration als selbstverständlichen Prozeß. Ich wünsche mir für die Tagesschau einen türkischstämmigen Präsentatoren oder Präsentatorin, weil ich das für eine Selbstverständlichkeit halte." Und er fügt hinzu: "Wir fördern ganz gezielt Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, weil wir nicht genug davon haben."

Sein ARD-Kollege Hartmann von der Tann versucht, die Schuld der mangelnden Integration bei den Privatsendern zu suchen. Und das, obwohl es allein bei Sat.1 "Was guckst du?" und den "König von Kreuzberg" gibt. Ein Österreicher hakt noch einmal nach: "Wir haben massive Probleme, jemand Geeignetes zu finden, der als Türke fürs Fernsehen in Frage kommt." Deppendorf darauf: "Wir haben die nicht, die kommen nach und nach rein."

Richtig aufgeklärt konnte man dann bei dem anschließenden Vortrag von Beate Winkler werden. Sie ist Herrscherin über die mächtige Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Nach Winklers Worten entwickelt ihre EU-Behörde "Strategien gegen Ausländerfeindlichkeit". Ab 2007, erklärt sie, wird ihre Behörde den gesamten Menschenrechtsbereich in Europa überwachen. 50 Prozent der Menschen in Europa seien kritisch gegenüber der multikulturellen Gesellschaft, fügt sie hinzu und unterstreicht somit den "europäischen" Anspruch des ARD-Preises. 


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