© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/05 06. Mai 2005

Was nun, Protestanten?
von Helmut Matthies

Der deutsche Papst Benedikt XVI. hat schon jetzt in Deutschland mehr Einfluß als jeder andere Papst vor ihm. So fehlt ihm die viele Protestanten abstoßende überbordende Marienfrömmigkeit von Johannes Paul II. In seiner Rede zur Amtseinführung kam Maria nicht ein einziges Mal vor. Die Ansprache war geradezu ein Ruf zum Glauben an Christus. Was den neuen Papst besonders bei Evangelikalen noch überzeugender macht, ist, daß er jede Vermischung des christlichen Glaubens mit anderen Religionen abwehrt. Kurzum: Er wirkt insgesamt weniger römisch-katholisch, was den Fernsehunterhalter und Katholiken Harald Schmidt bereits zu der Bemerkung verleitete: "Daß wir nach 482 Jahren wieder einen Papst aus Deutschland haben, bedeutet: Der Herr hat uns Martin Luther verziehen!" - Das ist natürlich Unsinn, gibt aber eine Stimmung wieder.

Die große Euphorie über den neuen Papst hat jedoch als tiefste Ursache die wachsende Sehnsucht nach Maßstäben und Werten. Immer mehr Menschen wünschen sich einen Orientierungsgeber, ein Vorbild. Und hier dürfte die größte Herausforderung liegen: Wofür steht der Protestantismus angesichts solcher Verehrung? Was antwortet er auf die Suche nach Sinn? Bisher wirkt er wie ein Gemischtwarenladen. Man bekommt zu so gut wie jedem Thema ein Sowohl-als-auch. Kehrt der Protestantismus nicht zu Bibel und Bekenntnis zurück, wird er untergehen.

 

Helmut Matthies ist Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur idea.


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