© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/05 06. Mai 2005

Abseits der Klischees
Schrullig: "Whisky" von Juan Pablo Rebella und Pablo Stoll
Claus-M. Wolfschlag

Auch wenn ein unpassendes Kinoplakat anderes suggeriert, "Whisky" ist ein zwar schrulliger, aber in toto ernster und trauriger Film - ein Film über das Altern, über Verbitterung, Entfremdung und die Unfähigkeit, aus dem Käfig langjähriger Gewohnheiten auszubrechen. Der etwa sechzigjährige Jacobo Köller (Andrés Pazos) besitzt eine kleine düstere Sockenfabrik in Montevideo, der Hauptstadt Uruguays. Die besten Jahre liegen hinter Jacobo und seiner Kleinfirma. Wenige Angestellte, veraltete technische Anlagen, ein bescheidenes Dasein bestimmen den tristen Alltag. Kleine Unfälle wie ein klemmender Rolladen oder eine falsch verarbeitete Socke stellen schon eine Abwechslung in dieser Routine dar.

Bewegung kommt in Jacobos Leben mit der Nachricht, daß der Grabstein seiner vor einem Jahr verstorbenen Mutter eingeweiht werden soll. Er benachrichtigt widerwillig seinen Bruder Hermann (Jorge Bolani), der vor langer Zeit nach Brasilien gezogen ist, um sich dort eine unternehmerische Existenz und Familie aufzubauen. Hermann kündigt umgehend einen Besuch an. Um dem mißtrauisch beäugten Bruder eine heile Fassade vorspielen zu können, die die Tristesse seines wahren Daseins verdeckt, bittet Jacobo seine Assistentin Marta (Mirella Pascual), für einige Tage zu ihm zu ziehen, um seine Ehefrau zu spielen.

Während der wenigen Tage zu dritt freundet sich Marta rasch mit Hermann an, während es Jacobo auch in dieser Zeit räumlicher Nähe nicht gelingt, die innere Distanz zu seiner Vertrauten zu überwinden ...

Rebella und Stoll, beide Jahrgang 1974, führten in ein Südamerika, das den Klischees von kaffeebraunen Tropenschönheiten und feurigen Strandpartys zu Samba-Rhythmen stark widerspricht. Eher ein wenig trostlos präsentieren sich Montevideo und ein verlassener Badeort im kühlen Winterklima. Zwar erklären sie nicht die Gründe für die Entfremdung der beiden Brüder und die Verbitterung Jacobos. Aber sie belegen eindrucksvoll die Schwierigkeiten eines älter gewordenen Menschen, sich noch einmal zu ändern, zu öffnen und neue Lebensperspektiven wahrzunehmen. Die Beobachtung der seelischen Verhältnisse und Personen wird mit langen Kameraeinstellungen und ruhigen Bildern eingefangen.


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