© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/05 06. Mai 2005

Liebe Leser!
Dieter Stein

Der 8. Mai 1945 markiert einen großen geschichtlichen Einschnitt. Das ist unbestritten. Je weiter das Datum zeitlich entrückt, um so stärker verschwindet jedoch das tatsächliche Geschehen hinter einer Nebelwand. Immer stärker werden die Erinnerungen der Zeitzeugen überlagert durch die politisch motivierten Deutungen aus zweiter und dritter Hand.

Die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT hat die Zeitzeugen unter ihren Lesern in den vergangenen Monaten dazu aufgerufen, Berichte über ihr persönliches Erleben um den 8. Mai 1945 niederzuschreiben. Wir waren überwältigt, wie viele Leser reagiert haben. Über 100 Berichte haben uns erreicht. Es ist fraglich, ob zum 70. Jahrestag des 8. Mai noch eine vergleichbare Aktion möglich sein wird.

Wir Redakteure waren außerordentlich bewegt von den eingereichten Texten. Sie konterkarieren scharf die ideologische und einseitige Beschäftigung mit dem 8. Mai als "Tag der Befreiung", wie es in diesen Tagen beinahe im Stile der untergegangenen DDR in den Medien und von Politikern aller Couleur betrieben wird. Aus den Schilderungen unserer Leser ist herauszulesen, daß niemand dem Dritten Reich eine Träne nachweinte. Zugleich war der Tag aber in den allermeisten Fällen ein traumatisches Erlebnis, ein Tag tiefster Erniedrigung und häufig erst der Beginn langen Martyriums. So allein für all diejenigen, die unter den sowjetischen Machtbereich gefallen waren und die Exzesse der Roten Armee, die Verschleppung in jahrelange Zwangsarbeit, Internierung oder den Beginn der wilden Vertreibung aus den deutschen Ostprovinzen erleben mußten.

Zweifellos war der 8. Mai das Ende einer verbrecherischen Diktatur in Deutschland, es ist der symbolische Tag der Freiheit für alle Deportierten und Verfolgten des NS-Regimes. Aber er ist weder der "Tag der Befreiung" noch der Beginn der Freiheit für alle Deutschen. Er ist der Tag der Zerschlagung des Deutschen Reiches, der Auflösung Preußens, der Abtrennung Ostpreußens, Schlesiens, Pommerns und des Sudetenlandes, der Beginn jahrelanger Besatzung und der Teilung Deutschlands und der Unterwerfung der einen Hälfte Deutschlands unter eine rote statt einer braunen Diktatur. Die Teilung Deutschlands endete erst 45 Jahre nach diesem 8. Mai 1945.

Ein deprimierendes Zeugnis für den Verlust an historischem und nationalem Bewußtsein, daß überhaupt nur eine Sekunde lang über den Titel als "Tag der Befreiung" diskutiert wird und daß ein deutscher Kanzler meint, aus diesem Anlaß mit den Siegern in Moskau feiern zu müssen.

Aufgrund der Fülle der interessanten und vielfältigen Schilderungen haben wir uns entschlossen, insgesamt 20 Sonderseiten zu diesem Thema bereitzustellen. Es ist dadurch die umfangreichste JUNGE FREIHEIT entstanden, die wir je produziert haben. Dennoch konnten wir selbst so nicht alle Berichte berücksichtigen und mußten auch bei den ausgewählten Texten teilweise kürzen. Wir bitten herzlich dafür um Verständnis.

Wir haben von dieser Zeitung eine Mehrauflage von 5.000 Exemplaren produziert. Sie können gerne weitere Exemplare zur Verbreitung unter Freunden und Verwandten nachbestellen (Bestellformular Seite 33). Machen Sie hierfür insbesondere zur Verbreitung der Texte unter jungen Leuten Gebrauch.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen