© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/05 06. Mai 2005

Deprimiert
Im Lazarett auf Sylt
Franz Scheppler

Den 8. Mai 1945 habe ich als Soldat im Heimat-Lazarett auf Sylt erlebt. Bei dem Großangriff auf Berlin war ich am 18. April schwer verwundet und in einem Lazarettzug nach Westen transportiert worden.

Ich kann mich nicht erinnern, in dieser Zeit und in den nachfolgenden Jahren jemals einen Menschen getroffen zu haben, der sich befreit fühlte. Wir alle fühlten uns geschlagen und deprimiert. Das einzig Positive in dieser Zeit war der Gedanke, daß das furchtbare Töten und Zerstören nun vorbei war. Zu lebhaft war noch die Erinnerung an Bombenangriffe auf unsere Städte und die Angriffe der feindlichen Flugzeuge, die auf alles schossen, was sich bewegte. Ob Bauern auf dem Feld oder Fahrzeuge auf der Straße oder Schiene.

Ich selbst habe die furchtbaren Bombenangriffe auf Hamburg im Juli 1943 miterlebt, bei denen über 40.000 Menschen im Feuersturm verbrannten. Im August 1944 war ich in der kleinen Stadt Wilster in Holstein, als Bomben einen großen Teil der Stadt zerstörten, obwohl es hier weder Militär noch Rüstungsindustrie gab. Tagelang war ich bei dem Bergen Verschütteter und Aufräumungsarbeiten eingesetzt.

Später bin ich fünf Tage nach dem schweren Angriff auf Dresden am 13./14. Februar 1945 durch die immer noch brennende Stadt marschiert. Niemand wäre damals auf die perverse Idee gekommen, daß man die Kapitulation gegenüber den Feinden, die dies verbrochen haben, jemals als "Tag der Befreiung" festlich begehen könnte. 

Franz Scheppler, Westerland


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