© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/05 13. Mai 2005

CD: Metal
Junge und Alte
Jörg Fischer / Thorsten Thaler

Heavy Metal mit Opern-Gesang und folkloristischen Melodien? Tasteninstrumente bestimmen gleichberechtigt mit den Gitarren die Musik? Dazu eine "Elfe" am Mikro und keine Dame, die für ihre Reibeisenstimme täglich ein paar Schachteln Zigaretten und das eine oder andere Glas Whiskey konsumieren muß? Das war für "Metaller" allenfalls im "Die Schöne und das Biest"-Wechselgesang mit einem Death-Metal-Grunzer vorstellbar. Doch dann wurden viele durch Nightwish aus Finnland eines besseren belehrt.

Seit drei Jahren haben die Finnen nun ernsthafte Konkurrenz: Epica. Und der Name könnte nicht besser gewählt sein. Das niederländische Septett um die zwanzigjährige Ausnahmesängerin Simone Simons und Ex-After Forever Gitarrist Mark Jansen bot auf seinem ersten Album "The Phantom Agony" (2003) epischen "Orchestralmetal" mit herrlichen Melodien und majestätischen Chören. Daß das Ganze von talentierten Musikern und nicht von aufwendiger Studiotechnik eingespielt wurde, ist eindrucksvoll auf der letztes Jahr erschienenen DVD "We will take you with us" zu hören und zu sehen.

Die neue Platte "Consign to Oblivion" (Transmission Records) kann den hohen Standard locker halten. Auch hier gibt es wieder Metal mit klassischen Elementen, geprägt von der klaren, ganz eigenen Mezzo-Sopran-Stimme von Simons. Die Streicher, der Chor und die gelegentlich als Kontrast eingesetzte derbe Stimme von Jansen geben dem Album den letzten Schliff - Liebhaber des Genres können die CD bedenkenlos kaufen.

Während Epica eine neue Generation und einen inzwischen nicht mehr ganz so neuen Metal-Stil verkörpern, sind die Altmeister von Judas Priest seit über drei Jahrzehnten im Geschäft - und seit 2004 in der "klassischen" Besetzung mit Rob Halford am Mikrofon, Glen Tipton und K. K. Downing an den Gitarren sowie Ian Hill am Baß wiedervereint. Daß der Ausstieg des vorübergehenden Sängers Tim Owens (der nun bei den US-Metallern Iced Earth sein Geld verdient) kein Verlust war, konnte man schon auf einigen Festivals erleben. Doch kann auch ihre neue Platte die hochgeschraubten Erwartungen erfüllen?

Um es vorwegzunehmen: Das Wagnis ist geglückt. Vierzehn Jahre nach ihrer letzten gemeinsamen Studioaufnahme, dem legendären "Painkiller"-Album, und gut ein Jahr nach ihrer Reunion auf der Bühne beweisen die fünf Briten aus Birmingham auch mit ihrer kürzlich veröffentlichten CD "Angel of Retribution" (Sony BMG), daß sie noch längst nicht zum Altmetall gehören.

Kaum ein Silberling ist in letzter Zeit von berufsmäßigen Kritikern und der Fangemeinde mit größerer Spannung erwartet worden als dieses neue Priest-Album. Die bange Frage hier wie dort lautete, ob die Vorläufer und Ahnherren des NWoBHM (New Wave of British Heavy Metal), die bereits 1974 debütierten, es schaffen würden, an den "Painkiller"-Erfolg anzuknüpfen.

Die Antwort auf "Angel Of Retribution" fällt eindeutig aus: "Judas Rising" heißt - nomen est omen - der richtungweisende Opener, der alle Zweifel zerstreut. Halford & Co., obschon jenseits der Fünfzig, klingen frischer denn je. "Das Alter spielt keine Rolle", sagt denn auch Halford in einem Gespräch mit der Zeitschrift Metal Hammer. "Ob du 15 oder 50 Jahre alt bist - es kommt auf das Herz an, das in dir schlägt!" Und wie es den Jungs schlägt, ist auf dem Album zu hören. Mit einer funkensprühenden Mischung aus rockigen Mitsing-Nummern ("Worth Fighting For", "Wheels Of Fire") und Heavy-Krachern ("Demonizer", "Hellrider"), einer Ballade ("Angel") und dem knapp 14 Minuten langen Monumentalstück "Lochness" zeigen Judas Priest allen Epigonen, wo der Stahl geschmiedet wird.


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