© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/05 13. Mai 2005

Meldungen

Margret Boveri zum Abgewöhnen

BERLIN. "Fassungslos" nimmt die Stuttgarter Historikerin Ingrid Belke zur Kenntnis, wenn die Publizistin Margret Boveri am 4. September 1939 schreibt, Polen habe den Krieg offensichtlich erzwingen wollen. In ihrem Aufsatz über "Margret Boveri im Dritten Reich" (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 2/2005), fast zeitgleich erschienen mit Heike B. Görtemakers Boveri-Biographie (JF 12/05), gibt es für Belke eine ganze Reihe solcher Momente, in denen sie die Fassung zu verlieren droht. Das liegt aber regelmäßig nicht an den Positionen und Urteilen Boveris, sondern an der für bundesdeutsche "Nachgeborene" so typischen Unfähigkeit, sich vor jedem moralisierenden Gezeter erst einmal zeithistorisch zu informieren. Angesichts der unbestreitbaren Mitschuld der polnischen Obristenclique an der Auslösung des Zweiten Weltkrieges hätte Belke Boveris Urteil wohl anders werten können denn als Identifizierung mit "Hitlers Eroberungszielen". Belke, die Boveri auch allen Ernstes vorhält, 1940/41 nicht der "Faszination" der "einzigartigen Weltstadt" New York erlegen zu sein, Roosevelt "diffamiert" oder eine "devote Verehrung" für Ernst Jünger bewiesen zu haben, kann mit solchen Versimpelungen das vielschichtige Verhältnis der Publizistin zum Nationalsozialismus und ihre komplexe Existenz in der "Landschaft des Verrats" nur auf "drei Dispositionen" reduzieren: Sie sei immer "sehr national" gewesen, habe einer "latenten Amerika-Feindseligkeit" gehuldigt und konnte mit dem "westlichen Wertsystem" wenig anfangen.

 

Erste Sätze

Der Tod des Tyrannen stellt das Regime, darin er schrankenlos alle Macht ausgeübt hat, auf die härteste aller Proben.

Raymond Aron: Der permanente Krieg, Frankfurt/ Main 1953

 

Der Untergang - Vergessene deutsche Gedenktage 1944/45

Vor sechzig Jahren: Jagd auf Kollaborateure

Nach Abschluß der Räumung der Niederlande von Wehrmacht und deutschem Besatzungspersonal beginnt eine flächendeckende politische "Säuberung" gegen Kollaborateure mit den Deutschen. Die weitgehend rechtsstaatliche Arbeit der "Zuiveringscommissies" zur Überprüfung kollaborierender Beamte (zehn Prozent wurden entlassen) war von pogromähnlichen Ausschreitungen des Mobs gegen "moffenhoeren", Freundinnen von deutschen Soldaten, begleitet.


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